Die toxische Wirkung Luhmanns – eines Sportfischers

Reloaded 3

„Kunst der Gesellschaft“, Kap. X / XI

Ein Gebirgsbach in einem unberührten Tal, ein Wanderer sieht inmitten des sprudelnden Baches einen Fischer, der seine Rute immer wieder weit auswirft, einfängt, auswirft. Die Stiefel reichen fast bis unter die Nase des großen schlanken Mannes. 

„Wieviele hast Du schon gefangen?“ fragt der am festen Land, den in den Fluten Stehenden.

„An die zwölf!“

„Und wo hast Du die Fische?“

„Vom Haken befreit und wieder ins Wasser geworfen, ich mag Fisch nicht.“

So etwas nennt sich Sportfischer, sinniert der Wanderer und geht seines Weges.

Niklas Luhmann fischt mit dem Köder „Beobachtung zweiter Ordnung“ und all den anderen Würmern am Haken der Möglichkeiten. Er fischt junge Männer, um ihnen dann, ab Seite 152 zu eröffnen: 

Ihr leidet alle unter derselben Krankheit im Gewässer eurer Sehnsucht, nach dem immer Anderen, nach unendlichen und unerfüllbaren Möglichkeiten. Dieser Ungeduld werdet ihr nicht entkommen und sie wird all eure Gewissheit zersetzen . 

Luhmann spricht nicht so biblisch wie ich, er spricht auch keine jungen Männer an, aber er führt aus, wie das Beobachten der Beobachter zur gebräuchlichen Reflexionsform der Neuzeit wurde, ohne die wir nicht mehr auskommen, um dann wie aus heiterem Himmel die toxische Wirkung dieser progressiven Seite der Moderne anzusprechen. 

Ich hab schon wiederholt gefragt, ob der zweite Beobachter jene bedeutende Wirkung auch in der Bildenden Kunst hat, die Luhmann ihm zuschreibt, ist dem Künstler doch nicht immer alles möglich, eröffnen sich ihm – genau genommen – selten noch andere Möglichkeiten. Zweifel ist wohl sein täglich Brot, aber nur, um Gewissheit / Stimmigkeit im Kunstwerk zu erreichen. 

Beim Künstler läuft alles was er tut auf das Eine, das Stimmige hinaus, etwas, das genau so und nicht anders sein kann. Aus diesem Grund kann es nicht immer noch andere Möglichkeiten geben, auch wenn die Stimmigkeit nicht hergestellt, sondern nur erwartet werden kann (1). 

Das Toxische der „Möglichkeit der Möglichkeiten“, auf das Luhmann im Kapitel 10 zu sprechen kommt – ist die Wirkung des Beobachters zweiter, dritter  Ordnung, die – so verstehe ich ihn – erst in der funktional differenzierten Welt voll ausgebaut ist. 

Handelt es sich dabei nicht um Eigenschaften, die längst bekannt sind? 

Es gibt eine lange Liste von Listenreichen und Göttern, die zu den Bösen zählen, deren Intelligenz ähnlich toxisch und Gewissheit-zersetzend ist, wie Luhmann das in der Gegenwart feststellt. Später mehr dazu.

Beobachten

Was hat es mit den szientistischen Grundbausteinen, „Beobachtung“, „Unterscheidung“ und dem Zwischenglied „Bezeichnung“ bzw. „Markierung“ auf sich? 

Beobachten tun der Kieberer auf der Strassn, der Kibitz beim Kartenspiel, die Lehrerin, die Fritzi beim Nägelkauen, die Nachrichtensprecher und Moderatoren das Weltgeschehen, der Autofahrer die Benzinpreise…. 

Je mehr die Wissenschaft die Welt beobachtet, umso mehr Welten bringt sie hervor, so dass einem vor Unterscheidungen ganz schwindelig werden kann.

Seit zwei Jahren beobachten die Journalisten die Welt und uns, so dass Angst und Schrecken überbleiben.

Und den Krieg ? Beobachten wir den auch als Beobachter der Beobachter, oder zeigt er, wie die  Möglichkeit der Möglichkeiten plötzlich mit dem ultimativen Ernstfall konfrontiert wird. Zumindest vorübergehend wird Kommunikation stillgelegt und die Menschen werden über Generationen unvorstellbaren Leiden ausgesetzt.

Herr Luhmann, ist Beobachtung alles, auf dem Sie ihr Denkgebäude aufbauen? 

Ist uns das, was wir über die Welt wissen nur über Beobachtung zugänglich? Ist mit dem Leib nicht immer schon die ganze Welt mit dabei? (2) 

Moment 

Wenn wir am Morgen die Augen öffnen, ist die Welt so wie sie ist, einfach da, ohne dass diese beobachtet werden muss.

Vorher war noch Schlaf, er war auch da und ist etwas Anderes als die Welt, die ich mit geöffneten Augen sehe, höre. Der Schlaf und die Welt der offenen Augen werden  hoffentlich noch eine Weile so sein und Gewissheit bieten, die wir nötig haben. 

Was ich sehe, höre, taste, gibt mir die Gewissheit: „Es ist da!“ 

Auch wenn ich das Gesehene, Gehörte hinterfrage, bleibt die Basis der Gewissheit das Dasein der Welt. Alles Hinterfragen, alles Beobachten basiert auf diesem ersten naiven Vertrauen. Wie kann sich der Beobachter beobachten, könnte er nicht sich, dem (ersten) Beobachter vertrauen?(3)

Alles weiter Gesehene, Beobachtete beruht auf der ursprünglichen Seinsgewissheit eines immerwährenden Daseins (4). Die Simultanität der Sinne vermittelt uns ein synthetisches Bild der Welt, auf das sich Beobachten berufen kann, um weiteres beobachten zu können. Wie kann beobachtet werden, wenn nicht angenommen wird, dass es etwas zu beobachten gäbe? Ist diese Gewissheit des Daseins nicht die Voraussetzung aller Beobachtung? (5) 

Dass durch die Beobachtung der Beobachtung der Zweifel an der ursprünglichen Gewissheit nagt, braucht selbst nicht bezweifelt werden. Auch der nagende Zweifel gibt uns die Gewissheit eines Daseins ( Descartes).

Die Welt entsteht nicht durch aneinandergereihte und geschichtete Beobachtungen – wie Luhmanns Denkansatz suggeriert –  sondern sie ist vorausgesetzt! Beobachtungen werden der Welt beigefügt, in sie eingefügt, ihr ausgeschnitten. Welt kann auch durch Beobachtungen zerteilt und wieder zusammengefügt werden usw.

Ohne (Vorab-) Welt kein Beobachten, Unterscheiden, Bezeichnen; Markieren usw. 

Kunstwerke bauen auf dieser „Erst-Gewissheit“ auf, sind sie doch einfach „NUR DA“ und wollen nicht mehr, als gesehen, gehört, gelesen, begangen sein. Dass sie auch zur Beobachtung der Welt dienen können, ist für einen Wissenschaftler, Philosophen bedeutend. Dem Künstler und Betrachter genügt es, dass die Kunstwerke in der Welt sind, dass sie da sind! 

Niklas Luhmann stilisiert den zweiten Beobachter zur beherrschenden Reflexionseinheit der Moderne und setzt ihn grundsätzlichem Zweifel aus, übersieht, dass Bildende Kunst und Poesie schon immer mit dem Beobachter des Beobachters arbeitet.

 Gewissheit / Skepsis

Goya „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer „

In den Kapiteln X, XI in „Kunst der Gesellschaft“ kommt Luhmann um die Frage der Gewissheit nicht herum. Als Soziologe fragt er die Sozialstrukturen ab, was sie anbieten, um die steigende Ungewissheit beruhigen zu können, die mit einem verbindlich gewordenen „Beobachter zweiter Ordnung“ einhergeht. 

Moral und das Kontrafaktische der Normativität sind zwei der Möglichkeiten, gegen diese grassierende Krankheit der Möglichkeit der Möglichkeiten (der Redundanz).

„Das Beobachten zweiter Ordnung hat auf seine Wirkung hin beobachtet, offenbar toxische Wirkung. (6) Es verändert den unmittelbaren Weltkontakt. Es zersetzt die beibehaltene Ordnung erster Ordnung. Es durchsetzt die Lebenswelt (im Sinne Husserls) mit einem Verdacht gegen sich selbst, ohne sie verlassen zu können.(S 157)

Wie kommt Luhmann auf den Gedanken der Vergiftung? 

Weiß er von der Gewissheit der Einheit der Welt, die wir jeden Morgen und in jedem Augenblick erleben?

Wie kann er von Zersetzung, Vergiftung sprechen, würde er nicht eine Einheit voraussetzen? 

Richten wir den Blick auf etwas, eine Landschaft, einen Menschen, ein Tier, eine Wiese, einen Seerosenteich, dann vergewissern wir uns ( ohne beobachten zu müssen) unseres Daseins. Kommt dann noch: „so schön!“ über die Lippen, sind wir da, wo Kunst anfängt ?

Ist diese Gewissheit nicht die Ursache des Strebens nach der Einheit im Kunstwerk? Diese Einheit wiederzugewinnen, ist das nicht der Antrieb des Kunstwollens? 

Auch Luhmann wendet sich angesichts der toxischen Wirkung seiner Ideen der Kunst zu.

Luhmann entwickelt eine Vorstellung von (Bildender) Kunst, die weit von der Kunstwirklichkeit entfernt scheint. Seine Begrifflichkeit mag angelegt sein, Wissenschaft zu fassen, aber nirgendwo überprüft er konkret an Werken der Bildenden Kunst, ob seine Konstruktion von Kommunikation auf Kunst anwendbar ist. Seine Hinweise bleiben auf Literatur und Texte der Ästhetik (7) beschränkt und richten den Blick auf Inhalte, die seinen Theorieansatz bestätigen. Auf die Kunst des Schreibens selbst (8) richtet er wenig Aufmerksamkeit, was seiner Auffassung von Kunst entsprechen würde.

Da wäre Aufschlussreiches zu erfahren. 

Wie sollen wir wissen, was er der Kunst zuschreibt, wenn er nicht angibt, wo und wie seine Begrifflichkeit in Kunstwerken ( der Bildenden Kunst) konkret vorkommt, wenn er alles ohne Bezug im nebulös Ungefähren seines induktiven Theorieansatzes belässt?

Wenn er dann Aussagen zur Kunst tätigt, treffen diese leider nicht zu: 

Für die Kunst ist die Welt nie eine „universitat rerum“ (S149), für die Wissenschaft sehr wohl: 

Nicht einmal in der Stilllebenmalerei ( des 17.ten Jhdt.s) ging es um Dingwelt, sondern vielmehr um Sichtbarkeit.

Das Symbol ( S 149 unten) ist nicht der Ausweg der Kunst aus der dinglichen Welt. Kunst ohne Symbolisierung ist nicht denkbar.

Seine Annahme, die Kunst hätte von der Idee „Natur nachzuahmen“ Abschied nehmen müssen, als der  Beobachter zweiter Ordnung die Herrschaft übernahm, ist Kokolores! 

In der Phase des Naturalismus mag es Künstler gegeben haben, die sich dieser Illusion hingaben, ansonsten war die Kunst als Nachahmung der Natur eher eine theoretische Frage der Ästhetik. Die Nachahmung der Natur ging in der Bildenden Kunst nicht über die praktische Anweisung – „halte Dich an das, was Du in der Natur beobachtest“ –  hinaus. Kein Meister oder Geselle nahm ernsthaft an, die Natur imitieren zu können. (9)

Der marked und unmarked Space spielt in der Kunst keine, oder eine viel geringere Rolle als in der Wissenschaft: 

Der Wechsel der Stile und Epochen geschah nicht dadurch, dass etwas markiert war, sondern die Mittel hatten sich selbst entwertet, abgenützt, Neues wurde möglich.

Die Letztbegründung im Sein, in der Idee, im Ideal, diese Konstruktionen des Wahren, Guten und Schönen, von denen sich Luhmann immer wieder pragmatisch abzugrenzen sucht, interessieren Bildende Künstler primär nicht. Sie interessiert, wie sie ein gutes, interessantes und aufregendes Bild hinstellen können, alles andere ist Geräuschkulisse!

Würden Bildende Künstler mit jener Unterscheidungsmanie arbeiten, die Luhmann der Kunst unterschiebt, nichts würde entstehen! 

In der Kunst kommt zuerst Nachahmen, Nachahmen und nochmals Nachahmen ( der Vorgänger) und dann lange nichts, schon gar nicht Unterscheiden! 

Sogar die Abweichung war kein bewusstes Absetzen vom Meister. Der junge Leonardo litt darunter, dass sich sein Engel (10) vom Engel seines Meisters unterschied.

Das Andere des Impressionismus, des Expressionismus entstand u.a. daraus, dass neue Farbtheorien entwickelt wurden, dass der Realismus in der Luft lag, wofür die Künstler eine Entsprechung in Bildern suchten. Nicht weil sie anders als ihre Vorgänger sein wollten, sondern auf die Anregungen ihrer Vorgänger ( z.B. Gustave Corbeth) reagierten. (12) 

„Unterscheiden“ ist der Grundton der Manifeste. Die reale Arbeit, die Formfindung im Atelier führt im Anders-Machen nicht weiter. Wo ist denn der Unterschied zwischen anders, ähnlich, einer Variante, Kongenialität und Meisterschaft?  (13) 

Weiß doch niemand, bevor ihm etwas gelingt, dass es gelungen ist. Erst im Ergebnis weiß man, dass sich etwas unterscheidet 

Weltanschauliche und philosophische Ideen – wie am Beispiel Courbet vorgeführt – haben keinen so dominanten Einfluss auf die Kunst, wie von Luhmann angenommen. (14)

Der Realismus eines Courbet hatte wenig mit jener Realität (15) zu tun, von der die Philosophen sprechen, sondern eher damit, wie der Maler etwas im Bild realisiert. 

Z.B. : Jedes Teil im Bild sollte gleichwertig sein, ob Auge, Fußnagel, Mütze oder der stinkende Abwasserkanal. Wichtig war die Bildorganisation, nicht was es darstellt! Das WIE war der Realismus, der sich wie ein Lauffeuer über die damalige Welt (ca ab 1830) der Kunst verbreitete!

Bei Luhmann klingt das so : Die Kunst aber hat dank ihrer Einstellung auf den Beobachter zweiter Ordnung eine Art der Kommunikation entwickelt „die auf Sichtbarkeits- bzw. Unsichtbarkeitsbedingungen“ Bezug nimmt.

Luhmanns Begriff von Sichtbarkeit orientiert sich an Wissenschaft, in der das Eine das Andere verdeckt und durch Benennung markiert wird. In der Bildenden Kunst bezieht sich das Verhältnis sichtbar und unsichtbar nie auf Inhalte, nie auf Markierung, nie auf Bezeichnung, sondern alleine darauf, wie im Bild, in der Skulptur etwas sichtbar gemacht werden kann, in der Einheit von Zeigen und Verbergen.

Mit meinen Worten: Kunst ermöglicht immer wieder das Erstaunen des Erwachens: „Schau! Die Welt ist da, wie sie da ist.“

Sichtbarkeit ist nur auf Unsichtbarkeit im Sinne des Wortes bezogen, wie die Stilllebenmalerei des 17. Jhdts belegt. 

Dass sich dahinter noch anderes verbergen kann, ist nicht ausgeschlossen, aber nicht das Ziel eines Bildes, einer Skulptur: 

Es genügt, Jesus am Kreuz als leidend oder auferstanden darzustellen. Was könnte dem Künstler noch anderes unterstellt werden, als das, was wir sehen und nicht sehen? 

Das Wissen über das Toxische der beobachtenden Intelligenz existiert, seit es Menschen und Kulturen gibt. 

Loki aus Wikipedia

Luhmann führt bewusst zwei extrem gewählte Beispiel an, ein philosophisch literarisches Werk (von Baltasar Gracián ).und eine Ästhetik (Karl Wilhelm Ferdinand Solger), Werke aus der Literatur die Weltanschauungsfragen ihrer Zeit behandeln. Beide spiegeln die Philosophie der Zeit wieder, haben als Literatur mit Kunst zu tun und sind wie Illustrationen der Luhmannschen Idee der geordneten-ungeordneten Beobachter. 

Kunstwerke aus der Bildenden Kunst führt er leider keine an, obwohl es dazu genügend gäbe ( Hieronymus Bosch, Pieter Brueghel der Jüngere ), über die er uns deutlich machen könnte, wie Kunst  das Toxische, der sich entwickelnden Neuzeit zeigt. 

Hieronymus Bosch, Vision des Tundalus 1450 -1516,- Hertogenbosch

Die Namen und Geschichten der Götter und gefallenen Engel – die als die Bösen angesehen wurden – erzählen schon lange vor der Zeit der Aufklärung von dieser Gefahr des Beobachters 2ter Ordnung, die früher als Versuchung des Bösen bezeichnet wurde. Lange vor der Neuzeit plagt uns schon dieses Zersetzende.

Ahriman, Osiris, Loki, Luzifer, Mephisto, Wagner in Faust II, sowie Lord Voldemort bei Harry Potter sind einige der Götter bzw. literarische Figuren, die als  listenreich benannt werden und darauf verweisen, dass das Wissen um die Doppelbödigkeit der beobachtenden Intelligenz nicht nur eine Errungenschaft der Moderne ist, sondern sich schon immer um Orakel, um den inneren Kern der Religionen gebildet hatte.

Verfolgen wir die Gefangennahme Lokis, der sich in einen Fisch verwandelt hatte, um der Verfolgung durch die anderen Götter zu entgehen, die ihn zur Rechenschaft ziehen wollten, da er Baldur, den Guten und Blinden in eine Falle gelockt und damit dessen Tod verursacht hatte. 

Vor seiner Fischwerdung war Loki so intelligent, dass er das Fischernetz erfand, um zu antizipieren, wie er gefangen werden könnte ( – ist da nicht die Beobachtung der Beobachtung beschrieben ?). Das Netz musste er verbrennen, denn die Häscher waren nahe und es sollte nicht in ihre Hände fallen. 

Die Verfolger fanden in der Asche die Struktur des Netzes, das sie dadurch nachbauen konnten. Sie wussten um die Intelligenz ihres Mitgottes und dass er mit dem Verbrannten etwas im Schilde führte. 

Loki, der Fischgewordene, wurde weit draußen im Fjord, mit dem von ihm kreierten Netz, gefangen genommen.

Auch er ging in die Falle der Möglichkeiten, die er selbst erzeugte.

Verfolgen wir die selbsterzeugten Fallen der Intelligenz, von der auch Märchen berichten, wäre die Frage zu klären, wie dieses durch religiöse Texte und Erzählungen vermittelte Wissen sich von dem toxischen der Aufklärung unterscheidet, das nach Luhmann die ausdifferenzierte Welt der Gegenwart  prägt?

Suche ich meine Kunsterfahrungen nach Epochen (15) und Werken von Künstlerinnen ab, die etwas mit dem Toxischen, von dem Luhmann sprach, zu tun haben, fallen mir spontan Martin Kippenberger, Sigmar Polke, Jörg Immendorf und der amerikanische Zeichner Robert Crumb ein.

Martin Kippenberger, Frosch am Kreuz

Gerade Kippenberger war vom Toxischen – nicht nur wegen  seines Drogenkonsums – angezogen. Alle seine Arbeiten sind Bilder einer inneren Vergiftung,  zumindest erlebe ich sie so. 

Polke war ein Meister der Beobachtung der Beobachtung und bediente sich nach Lust und Laune aus dem Warenkorb der Bildangebote der Welt.

Immendorf malte Bilder eines Lebens – ähnlich wie der amerikanische Zeichner Robert Crumb  -, das nachzuahmen nicht unbedingt empfehlenswert ist. Ihre Tragikomik im Bild zu erleben hat mich fasziniert.

Könnte die Gefährlichkeit des Toxischen 2ter Ordnung darin liegen, dass wir diese nicht mehr wahrnehmen, sondern sie eher als amüsant, leistungssteigernd und hinterhältig zeitgemäß empfinden? 

Und wieso sollten wir unsere Intelligenz nicht voll und ganz ausspielen dürfen? Solange, bis uns die Natur schmerzhaft ihre Grenzen vorführt?

GL

(1) Wie Künstler ( u.a. Max Ernst) berichten, hat sich ein Bild selbst fertig gemalt, nachdem es längere Zeit in der Ecke gestanden hatte.

(2) Luhmann schließt den Leib aus, um Kommunikation „rein“ erfassen zu können, um das Kommunizieren der Kommunikation beobachten zu können. Der Leib kommuniziert aber immer mit ( nicht nur über Fehlleistungen), indem er alles Wahrgenommene verlebendigt, sinnlich durchzieht. Liegen für den bildenden Künstler und Dichter nicht die Quellen seines Schaffens im Leibbezug?

(3) Das Herstellen von Selbstgewissheit kann auch auf mediale Erlebnisse übertragen werden, unter Abzug von Irritations-Boni.

(4) „SEIN“ sieht NL als eine der Letzt-Einheiten an, auf die Unterscheiden als Einheit des Unterschiedenen hinausläuft. Er sieht „Sein“ als Teil des Paradox an, dem der danach Strebende immer ausgesetzt bleiben wird. In meiner Beschreibung ist SEIN ein Zustand, die Grundlage der ICH-Identität, der nicht zwingend der Mühle der Unterscheidungen ausgesetzt ist. 

(5) Wenn ich mit dieser Auffassung als naiv verlacht werde, befinde ich mich doch in honoriger Gesellschaft, z.B. mit Emmanuel Levinas, der weit hinter den Beobachter erster Ordnung zurückgeht und „den Anblick des Anderen“ als Ruf und Verantwortung beschreibt, für die es sich sogar zu sterben lohnt. Für Levinas beginnt das Problem, sobald ein Dritter (der Beobachter des Beobachters) ins Spiel kommt und damit die „ursprüngliche“ soziale Verantwortung trübt. Nach Levinas müssen wir mit dem Naiven wie dem Eloquenten rechnen.

(6) Die Dämonen der Vernunft zu erwähnen und zu benennen ist kein neuer Gedanke, bis in die konservativ-rechten Vorwürfe einer degenerierten modernen Welt, wie in „Verlust der Mitte“ von Hans Sedlmayr, reichen die Verzweigungen solcher Gedankengänge.     „Die Krankheit der Zeit“, ausgelöst durch die Dominanz des Beobachters 2ter Ordnung, hat sich in der Kunst in Direktreaktionen niedergeschlagen. Mir fällt hier zuallererst der italienische Futurismo eines Filippo Tommaso Marinetti ein, der sich in den Rausch einer kollektiven Geschwindigkeit versetzt sah. Auch Ernst Jünger mit „In Stahlgewittern“, könnte hierzu gezählt werden. Er wollte im Bewusstsein „erster Ordnung“ verbleiben, um der „zersetzenden Kraft des Intellekts“ zu entgehen. Er wollte so nah als möglich an der Realität bleiben, wozu ihm der 1 WeltKrieg gerade recht kam. 

(7) NL verweist auf Theorie, die ihren eigenen theoretischen Fragen nachgeht. Was Kunst seit der Renaissance ist, ist mehr in Selbstbeschreibungen von Künstlern zu erfahren als in der Ästhetik und der Wahrnehmungstheorie.

(8) Literatur, die auf die toxische Wirkung in ihren Werken ganz unterschiedlich reagierte, wie, Bertold Brecht, Samuel Beckett, Allen Ginsberg, Peter Handke, Paul Celan, Christine Lavand, Herta Müller,…geht er nicht ein.

(9) Naturstudien waren ursprünglich Teil des Handwerks als Voraussetzung für Kunst, um dann im Bild, in der Skulptur Verkürzungen, Dehnungen, Verwindungen, Überzeichnungen usw. so anwenden zu können, dass diese der Komposition entsprachen. 

(10)Leonardos Engel aus Taufe Christi von Andrea del Verrocchio

(11) Das würde Luhmann ablehnen, aber indem, wie und wen er zitiert, welche Namen und Werke er anführt, theoretische Ansätze präferiert und Bildende Kunst vernachlässigt, zeigt sich diese Haltung.

(12) Wie oft hörte man Paul Cézanne sagen, dass er Bilder machen möchte wie Nicolas Poussin. Was bei so unterschiedlichen Malern fast nicht vorstellbar ist. 

(13) Sonderfall, die Dadaisten die das Zufallsprinzip anwandten. Gerade wenn Außerkünstlerisches verwendet wird, ist es schwer von Anderssein zu reden. 

(14) Die Zuschreibung würde Luhmann ablehnen, aber indem, wie und wen er zitiert, welche Namen und Werke er anführt, theoretische Ansätze präferiert und Bildende Kunst vernachlässigt, zeigt sich diese Haltung.

(15) Die soziale Realität bzw die Realität des Materiellen war die Bezugnahme der Philosophie. Für die Künstler von Courbet bis Monet und Beckmann war Realität die Realität des Bildes.

(16) Hier hinein passen die meisten Epochen der Moderne, die sich auf Antikunst beriefen, wie die Dadaisten, Fluxus, aber auch fast alle, die sich auf Abstraktion beziehen.

„Trauerrevolutionärin ?“

„REGEN-BOGEN-WEISS“ von Frederike Gösweiner, bei Droschl erschien

Überlegungen zu Friederike Gösweiners Roman

Obwohl die Autorin es versteht, mich in den Bann zu ziehen, weiß ich nicht, ob ich das Buch ganz zu Ende gelesen hätte, würde mich nicht eine Bekanntschaft – ich darf es Freundschaft nennen – mit der Familie verbinden, der sie dieses Buch widmete.(1)

Nicht voyeuristische Neugier ließ mich weiterlesen, es interessierte mich, ob die Rahmenhandlung – der plötzliche Tod des Ehegatten, des Vaters – nur ein Rahmen bliebe, in den vieles gefüllt würde, oder ob der Tod Thematik und Gestalt des Romans ganz durchdringe.

Dieser durch einen Herzinfarkt verursachte unerwartete Tod des 60-jährigen Physikers, der voll in seine  Universitätsprojekte eingespannt war, bestimmt schon topologisch die Handlung des Romans. Dort, wo der Vater starb, wo das Haus der Familie ist, trifft man sich während der weiteren Erzählung.

Das innere Schweigen und Sprechen des Vaters klingt in seiner Frau Marlene, in Tochter Filippa und Sohn Bob in allen möglichen und unmöglichen Situationen an. Das retardierend Lähmende der immer gleichen Erinnerungsbilder kann die Wirkung dieser bestimmenden wie geliebten und zu bewältigenden Vater-Figur gut fassen.

Die geschickt eingesetzten Introspektionen, die Selbstgespräche, über die der Leser am Innenleben der Figuren teilnimmt, erweisen sich nicht nur als geeignet, die Verarbeitung des Verlustes darzustellen und die Figuren intim kennenzulernen, es versetzt den Leser zeitweise in belebende Lesefreude.

Friederike Gösweiners Stärke sind die Beziehungen der Menschen. Schön (2) arbeitet sie die Mutter-Tochter sowie die Tochter-Mutter-Beziehung heraus. Ebenso wird das Verhältnis zwischen Schwester und Bruder plastisch.

Die Einsamkeit und das Zurückziehen von Bob, das zu Missverständnissen mit Mutter, Freundin und Schwester führt, ist gut nachvollziehbar.

Das Verhältnis Vater und Sohn wird lebendig, während das zwischen Tochter und Vater und die Beziehung des Ehepaars eher sentimental als weiter ausdifferenziert beschrieben ist. 

Die Orte der Handlung, Paris, London, Griechenland und der Provinzort, in dem die Familie lebt, bleiben wie Staffagen, die mit Nachricht-Ereignissen wie Anschläge, Finanzkrise, Flüchtlinge und dem Abriss einer alten Industrieanlage beklebt sind. 

Diese bieten der Sorge der Mutter um die Tochter konkrete Angriffsflächen, während die Sorge um den Sohn daraus erwächst, dass dieser ihr jede Angriffsfläche entzieht: Er erzählt ihr nichts.

Das alte Sorge-Konzept der Mutter steht der zeitgemäß intellektuellen Idee des Wahrscheinlichen und des Unwahrscheinlichen von Handlungen und Ereignissen gegenüber. Diese vom Vater schon vertretene Idee wird bei den Kindern zum modernen Schicksalskonzept. 

Das akademische Milieu mit seinen Schlingen und Fallen wird lebensfeindlich interpretiert und die prekären Situationen im Mittelbau der Universitäten begleiten das gesamte Geschehen. 

Dem Zeitgeist entsprechend wird auch die Genderfrage mitgenommen. 

In einer köstlich beschriebenen Situation werden uns die Missverständnisse und das Unsensible, das mit dem Politsch-Werden der Geschlechterfrage einhergeht, vorgeführt.

So schön diese Szenen mit den unzähligen Bashing-Mails und deren Reflexion vor prähistorischen Fischen im Louvre auch sind, so verloren wirkt es im Geschehen. Aber vielleicht ist das ein weiterer Anlass, die Traurigkeit der Welt der Filippa ausgesetzt ist, spürbar zu machen? 

Die Landschaft Griechenlands, der Louvre und ein, zwei Boulevards in Paris stehen als Orte im Nirgendwo. 

Hingegen werden Abflughallen, Bahnhöfe und das elterliche Haus zu intimen Orten, an denen sich Gefühle entfalten.

Die zeitliche Struktur, die wie in einem Tagebuch mit Datum, Absatz für Absatz gegliedert wird, hilft dem Leser der Sukzessivität der Handlung zu folgen und ermöglicht der Schriftstellerin gelegentlich aphoristische Absätze einzufügen, die für sich selbst eine Schönheit entwickeln.

Die Themen des Bruders und Physikers sind „Zeit“ und  „Fragen der Zeitlosigkeit des Kosmos“, aber auch das Erleben der Natur Griechenlands, das sich über die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens erhebt, bleiben für mich in den Seilen der Konstruktion des Romans hängen, finden nicht so richtig Boden. 

Ein studierter Physiker der 2015/16 dagegen ankämpft, dass seine Kollegen immer noch dem Newtonschen Weltbild anhängen und den emergenten Kosmos nicht anerkennen wollen, wäre vielleicht vor hundert Jahren aktuell gewesen, aber heute….?

Ebenso bleibt in der Konstruktion der gegenwärtige irdische Kinderwunsch von Filippa hängen, der sie so in Stress versetzt, dass jede aufkeimende Fruchtbarkeit verödet.

Etwas Rätselhaftes eröffnet sich mir aus den Beziehungen der Geschwister und deren Partner. 

Die Partner der Geschwister bleiben blass und dienen vorwiegend als Projektionsflächen. Sie sagen fast nichts, haben kein (Innen) Leben, wenig Familie, Freunde und eine schemenhafte Umgebung.

Filippas unerfüllter Kinderwunsch, ihrer Sehnsucht nach einem bürgerlichen Leben, mit festem Standort, Haus, Mann und Kind, spiegelt sich in Zoe, der Freundin von Bob, in deren vage geäußerten Wünschen. 

Bob seinerseits kann diese weder wahrnehmen noch erfüllen. Er ist ausschließlich auf seine Karriere getrimmt, unter anderem auch durch den Vater, der ihn ab der Pubertät als Versager gestempelt hat.

Bob wird von der Erzählerin in seinem Wesen weit differenzierter dargestellt als Filippa. Ihr Innenleben gleicht einer „Tauerrevolutionärin“, deren Revolte sich nach innen, gegen sich selbst richtet. Ständige Selbstvorwürfe gehören wie ein innerer Stachel dazu.

Ihr WERK – so findet Filippa selbst – die Habilitation geht unter, und entwickelt sich nicht weiter, außer dass Hölderlins „Hyperion“ schöne und passende Zitate zur Verfügung stellt.

Der „tief traurigen“ Person Filippa, die sich ihrer Trauer wohl bewusst ist, und dies auch ausspricht, würde der Leser wünschen, sie könnte diese Trauer noch deutlicher ausformen und schreibend ausleben.

„Ist es nicht so, dass das Leiden ebenso viel bewirkt, wie alles Machen und Tun, das unser Zeitalter dominiert?“ 

Ähnliches sagt sich Fillipa selbst.  

Der im Text fortschreitende Leser fragt sich, wie die vielen, vielleicht zu vielen aufgedröselten Fäden zu einem Ende geführt werden.

Friederike G macht es auf zwei Weisen: Eine über eine zusammenfassende Introspektion von Marlene und dem sentimentalen Abspielen eines Filmes aus der Kindheit, wieder in einer Abflughalle, bevor Filippa zu einem ungeliebten Vortrag nach irgendwo aufbricht. 

Zweitens schneidet das ausgeraubte Haus, aus dem Marlene am Ende ausziehen wird, die anderen offenen Fäden der Handlung einfach ab bzw. lässt sie im „OFF“.

GL

  1. Meist lese ich nur die ersten dreißig Seiten eines Romans, nur ganz selten packt mich ein Text so, dass ich ihn zu Ende lese.
  2. Bei so schicksalhaften Beziehungen ist es nicht angebracht, von „schön“ zu sprechen, aber diese können schön dargestellt werden.

WERDEN

 FROM MICHELANGELO TO – 

Ausstellung im Ferdinandeum Innsbruck 3. Dez. – 18. Apr. 22

Thomas Ruff

Das Plakat mit der melancholisch-distanziert blickenden Frau lässt auf den ersten Blick an „Parship“, dem Testsieger der Partneragenturen, denken, „Was hat das mit „WERDEN“ zu tun“, fragt sich der Passant.

Der Text, der am Plakat weiterleitet, verweist auf die Akademie in Florenz und Düsseldorf und nennt Michelangelo als Initiator. Wen denn sonst? 

Was das rätselhafte Frauenportrait mit Herpes mit den „alten“ Akademien zu tun hat, bleibt offen.

Ja, an der Accademia WERDEN Professoren wie Studierende zu dem, was sie sind – honorige Personen im Kunst- und Kulturleben ihrer Zeit.

Aber das alleine wird wohl nicht gemeint sein, oder? 

Akademien waren im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert nicht mehr Teil des WERDENS, deren Mitglieder wurden als  Vertreter einer toten Tradition eingestuft. 

Dass diese oft schon totgesagte Institution in Innsbruck eine so fröhliche Auferstehung feiert, ist bemerkenswert und einer genaueren Befragung würdig.

Eigentlich sind Akademien im Panorama der Bildungslandschaft längst passé. 

Einrichtungen wie die Florentinische Akademie nennen sich heute„think tanks“ und Akademien wie die Düsseldorfer werden Kunsthochschulen genannt, um dem wissenschaftlichen Anspruch der Einrichtungen gerecht zu werden.

Akademien – hervorgegangen aus der Akademie des Platon in Athen (387 v. Chr – bis 5./6.Jhdt. n.Chr.)  – bildeten sich als Institutionsform in Stadtstaaten und im Rahmen nationaler Bewegungen zur Pflege der Sprache, der Musik, der Kriegstechnik und eben auch der Bildenden Künste aus. 

Ihr erstes Ziel war nicht die Lehre, sondern eine sich gegenseitig bestärkende Zusammenarbeit einzelner Fachrichtungen.(1) Notwendigerweise, aber nicht zwingend, erwuchsen daraus auch primäre Lehranstalten.

Die „ACCADEMIA DELLE ARTI DEL DESIGNO“ folgte (1563 ) in Florenz jener Accademia (1540), die eng mit der Entwicklung der italienischen Sprache, mit Dante und Petrarca in Verbindung stand.

Eine wesentliche Einrichtung bei Gründung der Akademie der schönen Künste in Florenz war die Errichtung einer dafür angelegten Sammlung von Kunstwerken, die später den Studenten zur Anschauung und als Übungsobjekte für Zeichenstudien und Kopien (2) zur Verfügung standen.

Die Sammlung der Akademie der Bildenden Künste in Wien mit hervorragenden Werken wie das „Weltgerichtstriptychon“ von Hieronymus Bosch zeugt noch heute von der Lehrtradition, der sich die Studenten unterzogen. 

Akademien waren meist praktische Einrichtungen, die auf den Entwicklungsstand der Künste und deren Techniken reagierten. 

Akademien der Musik ermöglichten konzertante Aufführungen, die der Bildenden Kunst setzten die  Praxis des Kopierens und Zeichnens fort, die sich in den großen Werkstätten der florentinischen und toskanischen Meister herausgebildet hatten. Indem sie die großen Meister und deren Werke in einer Institution vereinten, verbesserten sie deren Grundlagen. 

Während in der Werkstatt der Geselle sich vorwiegend an den Arbeiten seines Meisters üben konnte, wurde er/sie ( sehr früh waren in Firenze Frauen zum Studium zugelassen) an der Akademie mit unterschiedlichen hervorragenden Werken von lebenden und verstorbenen Meistern konfrontiert.

Dass das Zeichnen und damit das Konstruieren und Planen, das Design und die Architektur am Weg des WERDENS liegt, wird besonders in Italien und Frankreich deutlich. In der Ausstellung kann am Vergleich der Anatomie eines menschlichen Beines (eine Federzeichnung von Michelangelo) mit der statischen Konstruktion eines Bauwerks ( Paolo Portoghesi – 04/09) das verbindende Element der Zeichnung anschaulich gemacht werden (3).

Düsseldorf, dessen Akademie 1773 (ähnlich wie das Ferdinandeum 1823 )  aus der Nationalbewegung hervorgegangen war, hatte u.a. durch Wilhelm Schadow und der Düsseldorfer Malschule sehr bald weltweiten Ruhm erlangt. 

Schadow gehörte den Nazarenern und dem Lukasbund an, für den die Kunst wieder „göttlich geführtes“ Handwerk werden sollte. Ähnliches ging in Florenz vor sich. Ganz im Sinne des Lukasbundes war die Akademie eine ideale Einrichtung, um der sozialen Stellung der Künste in der damaligen Zeit Geltung zu verschaffen. 

Zusammen mit den Dichtern und Denkern wurden Feste, Architektur, Einrichtungen, Bücher, Theateraufführungen und Umzüge gestaltet, um der „deutschen Nation“ Ausdruck zu verleihen.

Der Düsseldorfer Akademie fehlt inzwischen die alte zur Akademie gehörende Sammlung, die in die Pinakothek in München überführt wurde.

So muss die jetzige Ausstellung in Innsbruck diese Epoche der Gründung der Düsseldorfer Akademie übergehen und konzentriert sich deshalb auf die unmittelbare Gegenwart ab Ende des Krieges. 

Soweit ich erkenne, setzt die Schau mit Ewald Mataré ein und zeigt anhand einzelner Arbeiten die Vielzahl der künstlerischen Entwürfe, die an der Düsseldorfer Akademie zusammenfanden.(4) 

Um noch ein kleines Detail einzufügen, das für mich eine Brücke zwischen den beiden Instituten schafft: 

Markus Lüpertz, der über Jahre Rektor in Düsseldorf war, hatte als Antwort auf den Unterrichtsstil der Nachkriegszeit, der mehr von Konzepten und der Suche nach modernen abstrakten Positionen geprägt war, die Unterrichtsmethode wieder eingeführt, dass seine Studenten zuerst Bilder (seine) kopieren sollten. So knüpfte er an jene alte Tradition an, für die Florenz das Vorbild war.

Diese Lern- und Lehrtechnik war in der DDR noch üblich und führte noch vor dem Mauerfall dazu, dass junge DDR-Künstler, die über ein gut ausgebildetes handwerkliches Können verfügten, sich in der BRD etablieren konnten. Einige von ihnen (5) landeten ausgerechnet in Düsseldorf. A.R.Penk fand über seine Freundschaft zu Jörg Immendorf dorthin.

So ist auch nicht verwunderlich, dass Markus Lüpertz in seiner Zeit als Rektor anregte, eine neue Sammlung für die Akademie anzulegen. Der renommierter Museumsmann Siegfried Gohr betreute die Sammlung, die jetzt die Grundlage bildet, auf die Martin Costner als Kurator aufbauen konnte.

Zur Ausstellung selbst

Stefano Bardini 1855 aus dem Katalog „L’Accademia del Arti delle Disegno di Firenze“

Ein schneller erster Durchgang zeigt die üblich ambitionierte  Ausstellungsarchitektur des Ferdinandeums im abgeschatteten Parterre. 

Diesmal mit einem Novum: Der Polyesterabguss eines nackten Mannes wird mit Vorhangketten  – wie sie die Eingänge zu Trattorien verhängen – etwas verschämt, kleinräumig abgegrenzt.

Irgendetwas von Michelangelo ist zu sehen und das „Who is Who“ der Italienischen Avantgarde mit  Bildexemplaren im Sinne der Aufzählung: der und der, Manzoni, Marini, Manzu, De Chirico und Carlo Carrà gehören auch dazu.  

Wir werden darüber informiert, dass die männlichen Modelle frisch vom Friseur kamen und sie ihr Gemächt in einem Beutelchen verbargen. 

Mehrere anatomische Studien, Pläne und Entwürfe von Michelangelo können bewundert werden, das Signet der Akademie wird vorgeführt und Bilder, die die symbolische Bedeutung der Akademie versinnbildlichen, werden martialisch pathetisch ins Bild gesetzt.

Ähnliches führt uns die Fassade des Ferdinandeums vor, an der die Gründer des Museums sich mit ihren Portraits ein Denkmal setzten.

Als 1969 L’ACCADEMIA in Venedig von Studenten besetzt wurde (6), 

war dieses grandiose Bild klassischer Kunstbildung ein erbärmlicher Anblick, der seinen Glanz nur dadurch bekam, dass sich Renato Guttuso angekündigt hatte, um mit ihnen auf den Markusplatz zu marschieren, um zu demonstrieren, dass die Lagunenstadt in ihrem eigenen Dreck erstickt. 

Von der erneuernden Werdens-Kraft der Akademie war damals nichts mehr zu spüren, bis auf die Studenten hatten sich alle Professoren verkrochen.

Dieselbe Öde hatte sich in den70er Jahren in Wien, München, Düsseldorf und Karlsruhe ausgebreitet. 

Die Akademien waren heruntergekommen, von WERDEN war nirgendwo eine Spur. Die interessanten Künstler waren aus dem muffigen Wien nach Berlin ins Exil geflüchtet.

Erst Beuys brachte in diese Landschaft wieder frischen Wind. 

Ein Sturm, der in letzter Konsequenz zur Auflösung aller Akademien hätte führen müssen. Sie hatten  sich als unzeitgemäß erwiesen, den Schritt zur „interdisziplinären Forschungstätte“ nicht geschafft. 

Diese erneuerte Akademie des erweiterten Kunstbegriffes, die „Freie internationale Hochschule für Kreativität und interdisziplinäre Forschung“ bzw. die „Freie Internationale Universität“ ist bis heute – nach meiner Einschätzung – immer noch in weiter Ferne.(7) 

Der Fachbereich einer „kunstbezogenen Wissenschaft“ in Düsseldorf ist der lächerliche Appendix dessen, was Beuys damals vorschwebte und wofür er mit seinem Werk und seiner Lehre noch steht.

Gehen wir in den ersten Stock des Ferdinandeums, wo Düsseldorf sich ausbreitet, 

Was finden wir da ? 

Böse gesagt, eine ästhetisch gut aufbereitete Sammlung an Nippes, Fetischen, mehr oder weniger repräsentative Erinnerungsstücke unterschiedlichster Kunstentwürfe, die allesamt in der Kunst ihrer Zeit bestimmend waren. 

Mataré, Siegfried Anzinger, Markus Lüpertz.

Bei näherer Betrachtung wird die arrangierte Vereinzelungen durch witzige und interessante Nachbarschaften aus ihrer Verlorenheit geholt

Gostner crosst Zeiten, überspringt Epochen, belebt durch Unterschiede und Korrespondenzen die Einzelstellungen der Werke, die sich nicht im Kontext ihrer Werke behaupten können. 

Die wirklich gelungene Nähe der Fußwaschung von Beuys zu der Blutwaschung seines damals schwer kranken Schülers Jörg Immendorf.

Das benagelte Aktionsrelikt von Uecker neben einem empfindlichen Polsterbild von Graubner. 

Ein K. O. Götz von 1961 neben einem Udo Dziersk von 2012 eröffnen interessante Querverbindungen. 

Und das wirklich süße Arrangement einer Terracottakuh von Ewald Ewald Mataré auf einer Seite  des „Kuhreigens“ von Siegfried Anzinger, auf der anderen die bemalte unbeholfene Gipsfigur mit blauem Bart und Stützbein von Markus Lüpertz. 

Natürlich sind auch Hilla und Berd Becher mit ihren Schülern Thomas Ruff und Andreas Gurksky vertreten, aus dessen Portraitserie das Bild für das Plakat entnommen wurde.  

Was ist nun das Gemeinsame, das Verbindende 

der Kunstentwürfe, die im ersten Stock uns so exzellent platziert vorgeführt werden?

Irgendwie scheint die Staffelübergabe in Düsseldorf doch gelungen zu sein. Markus Lüpertz, Siegfried Anzinger, Peter Doig, Albert Oehlen … stehen für eine Tradition der Malerei, die trotz unterschiedlicher Ansätze zusammenwirken.

Gerhard Richter, Udo Dziersk und Dirk Streber bilden eine Reihe, in der ein anderer Strang der Malerei verfolgt wird.

Tal R, Hubert Kiecol und Georg Herold als Bildhauer schließen irgendwie an Ewald Mataré  und Koenraad Dedobbeleer an, um nur einige der vielen Quer-Verbindungen zu nennen.

Gemeinsam ist ihnen eine hohe Professionalität 

in ihren Fachgebieten und ein eigenständiger Kunstentwurf.

Was sie sonst noch verbindet, wie sie unterrichten, welchen pädagogisch- künstlerischen Ansatz sie als Lehrer vertraten, wird – sofern dies nicht aus den Arbeiten selbst schon abzulesen ist – nicht erwähnt.

Einzig die Zertifikate und Meisterbriefe, die sie ihren Studenten ausstellen, werden im die Ausstellung begleitenden Internetauftritt „Looking Ahead“ wiederholt erwähnt. 

Wie inzwischen an Kunstakademien üblich, zählt für die Berufung an Kunstakademien und Hochschulen jener Aufmerksamkeitswert, den der Künstler, die Künstlerin im Kunstgeschehen über Ausstellungen, Musseumsauftritte möglichst international vorzuweisen hat.

Insofern gibt es starke Außenbestimmtheiten, denen Akademien ausgesetzt sind.  

Der das WERDEN bestimmende Faktor an Akademien hängt an diesen vielen feinen Verbindungen, die zwischen den unterschiedlichsten Kunstentwürfen wirken und von Traditionen des Lehrens und gemeinsamen Lernens bestimmt sind. (8)  . 

Wie erschließt sich das dem Betrachter in dieser Ausstellung?

Ich freue mich beim Gang durch die Ausstellung, ein interessantes Bild von Albert Öhlen, meinem ehemaligen Atelier-Nachbar in Hamburg, zu sehen. Werde an meine Lehrerin Hilla Becher erinnert, wundere mich über das Immendorfbild und betrachte interessiert eine Arbeit von Richter, eine Tabelle von Namen, die Kunst, Wissenschaften, Philosophie und Musik über Jahrhunderte bestimmten. 

Thomas Ruff 1981-85 Portraits, farbiger Hintergrund

      

So willkürlich und persönlich meine Assoziationen  sind, werden andere BesucherInnen ihrem Gusto folgend andere Bilder auswählen und möglicherweise zufrieden aus der Ausstellung hinausgehen. 

Die eine oder andere Querverbindung wird durch  hervorragende Präsentation von Martin Gostner angeregt.

„Es spielt sich hier alles auf einem sehr hohen Niveau ab“, räsoniere ich, den Blick durch die Halle schweifend, in der zwei junge Frauen äußerst selbstbewusst durch die Ausstellung schreiten. 

„Vielleicht repräsentieren sie jene StudentInnen, die Martin Gostner im Internetauftritt zur Ausstellung vorstellte?“ fragte ich mich.

Auf der Seite „Looking Ahead“, die über die Homepage des Ferdinandeums zugänglich ist, wird den AbsolventInnen der Kunstakademie Düsseldorf ein Auftritt ermöglicht; sie kommen zu Wort und ihre Arbeiten sind an anschaulichen Beispielen vorgeführt.

Die Frage bleibt:

„Was heißt es heute, die Idee der Akademie so delikat zu zelebrieren, wie dies zur Zeit im Ferdinandeum in Innsbruck geschieht?“

Anscheinend braucht die Akademie nicht mehr als nur einen ästhetisch gelungenen Nachweis zur Begründung ihrer Existenz. So kann sie sich als elitäre Institution behaupten!    

Elitär waren Akademien immer schon und sind es heute noch, wie in Innsbruck deutlich wahrnehmbar. 

Die Strahlkraft, die z.B. eine Beuys- oder  Becherklasse ausmachte, hängt an den einzelnen Künstlerpersönlichkeiten. Diese Qualität bleibt wie eine Art Vertikalspannung ( Peter Sloterdijk) mit der Institution verbunden und wirkt über Schüler und geschickt gewählte Berufungen noch lange nach.(9) 

Heute braucht sich niemand mehr zu schämen, als elitär zu gelten. Im Gegenteil, nähren sich doch die Innovationen der Gegenwart und jüngeren Vergangenheit (von Mark Zuckerberg über Jeff Bezos und Elon Musk) aus dem Modell elitärer Bildung.(10)

An besten Schulen, möglichst Privatschulen ausgebildet, einem permanenten Auswahldruck ausgesetzt, bildete sich eine dünne Elite in allen Bereichen der Technik, Wissenschaft und der Künste heraus, deren jugendlich geniales Wissen, deren Experimentierfreude und ungestüme Innovationskraft von geschickten ManagerInnen ausgenützt und wirtschaftlich produktiv gemacht werden. (11)

Bis sie alle ihre Energie gegeben haben, sich als einmalig brennende Flammen herausstellten oder sich als zähe ArbeiterInnen erwiesen haben und aufgestiegen waren, um den Platz frei für neue junge Innovationen zu machen. 

So stellt sich der Werdegang von Chemikern-, Physikern-, Biologen-, KünstlerInnen dar, die allesamt in ihrer Jugend verheizt wurden, damit die Technik und Wirtschaft mit Innovationen vollgepumpt werden konnte, damit 

der Aufmerksamkeitsbetrieb der Kunst schillernd und blinkend mit immer wieder frischen Ideen gedopt werden kann. (12) 

So zumindest prophezeite uns Peter Drucker (13) in „The Next Society“ (1950). Er hat vorgezeichnet, was in den nächsten Jahren die Wirtschaft, Wissenschaft und die Kunst bis in die Gegenwart hinein bestimmen wird.(14)

Akademien sind auch heute noch Teil dieser Art des „WERDEN und VERGEHENS“

Auch das führt uns die Ausstellung der Düsseldorfer Akademie in Innsbruck vor. 

Auf der einen Seite bewahren diese Akademien Tradition. Kein Forschungsinstitut kann es sich noch leisten, Professuren auf Lebenszeit zu bestellen, Akademien sind gerade darauf stolz.

Andererseits sortieren sie aus, was das Zeug hält. Das Kriterium ist und bleibt das launische Gut der  Kunstaufmerksamkeit, diese verloren zu haben hat schon einigen der ehemals bekannten KünstlerInnen, die an Akademien ausharren, schwer zu schaffen gemacht.

Akademien konnten nach dem Krieg intern keine autonomen Kriterien für ihre Wertgebäude aufbauen, sie blieben leider immer kunstmarktabhängig und spielen in diesem Reigen eine nicht unbedeutende Rolle (15) !

GL

(1) die Academie Françoise ist wie die deutsche, italienische und österreichische Akademie der Wissenschaften eine Gelehrtenvereinigung, ursprünglich zur Pflege der Nationalsprache 

(2) Der Unterschied von Zeichnung und Kopie wird im zweiteiligen Katalog zur Ausstellung in einem Artikel von David Palterer deutlich herausgearbeitet 

(3)Auf den basalen Zusammenhang zwischen Zeichnung und Akademie verweist auch Direktor Assmann in seiner Videoeröffnung.

(4) Dr. Assmann, der durch seine Tätigkeit in Mantua über gute italienische Kontakte verfügt und Martin Gostner, der seit langem eine Professur in Düsseldorf innehat, sind die treibenden Kräfte der Ausstellung.

(5) (Gerhard Richter und Sigmar Polke mit ihrem kapitalistischen Realismus, Baselitz, Penk, Gotthard Graupner, später Neon Rauch und die Leipziger Schule..) 

(6) der Autor war unversehens auf der Seite der Besetzer

(7) Der einzige Ansatz der vielleicht an diese Idee herankam, war zeitweise die Staatliche Hochschule für Gestaltung (HfG) in Karlsruhe.  

(8) So ist die Tradition des Lukasbundes, die am Anfang beider Akademien stand, bis heute noch aktuell.

(9) Ich war an der HfBK in Hamburg in der Waltherklasse und erlebte die Strahlkraft dieser Klasse persönlich. Hilla Becher hatte hingegen nur eine Handvoll Studenten in Hamburg, während ihr Mann Bernd Becher einige Jahre später in Düsseldorf sich vor Studenten nicht wehren konnte.

(10) Excellenzförderung ist die staatlich institutionalisierte Form dieser Elitebildung) 

(11) Ähnliches geschah im Kunstbereich, wo die vorher gefragten „Jungen Wilden“ von einem Tag auf den anderen „out“ waren. 

(12) Dass wortwörtlich einige der Künstler sich ausbrannten – und ihre Werke dadurch ihre Faszination erhielten – konnte ich selbst an Martin Kippenberger erleben; wir waren gleichzeitig in der Waltherklasse.

(13)The New Society: The Anatomy of Industrial Order. Harper & Row, New York 1950)

(14) zur Soziologie der Generationen, Maren Lehmann :

zu „Next Soziety“

 

(auch Corona zeigt uns im Wissenschaftsbetrieb, etwas verzerrt das Generationenproblem: Die das Corona-Geschehen bestimmenden Forscher sind um die 50, die Kritiker sind um die 70/80.  

(15) Kunstentwürfe wie z.B die von F. E. Walther sind ohne seine Professur nicht denkbar. Wieviele Künstler gibt es an Akademien, die nirgendwo mehr gefragt sind, aber an Akademien noch weiter durchgefüttert werden?

„Der Kongress“ 

 Abteilung: „Auf der Suche nach dem D

Lang bevor die Beteiligten es wussten, war der Kongress in Vorbereitung. Als er schon tagte, Informationen verschob und austauschte, täglich, stündlich in grelle Skylines übertrug, war den Beteiligten das Kernthema des Kongresses immer noch nicht klar. 

Zuerst dies, dann rückte jenes in den Vordergrund. Tauchte ein Thema auf, war allen klar: Das ist es! 

Tauchte ein anderes auf, wurde dieses favorisiert. So lagerte sich das Eine über das Andere und Eines leuchtete durch das Andere. Transparenter wurde das Ganze damit auch nicht! 

Mit der Zeit wurde klar, der Kongress stellte den endgültigen Versuch der Moderne dar, 

am Beispiel einer Krankheit „die Krankheit“ zu beherrschen. 

Wir lernen gerade den Tod zu überwinden, sagten andere. 

Wir üben mit der Einführung eines einzigen Testverfahrens, die Welt auszuhebeln, 

bemühen uns, am Exempel eines konkreten Falles den Staat neu zu organisieren, 

Schulen und Hochschulen umzubauen, 

der Geldwirtschaft neue Investitionschancen zu eröffnen, 

Arbeitsplätze, Produktionsstätten und Transportwege zu verändern, 

das Gesundheitswesen an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen,

Medien und Politik wieder Gewicht zu verleihen, 

den internationalen Handel und dessen Logistik …., 

die privaten Beziehungen der Menschen….

Und das Komische daran ist: Um die Krankheit selbst scheint es gar nicht zu gehen: 

Meinen wir, einen Hintergrund erfasst zu haben, kommt noch einer und noch einer hinzu….?

Nicht mehr der Krieg ist die Mutter allen Fortschritts; sonder „die Krankheit“ bringt alles Mögliche hervor, nur nicht sich selbst zeigt sie,  – sonst könnten wir sie ja ein für allemal effektiv bekämpfen. 

Die Krankheit, das Füllhorn der Natur 

Keiner kennt sich aus und trotzdem: 

Der Kongress funktioniert! 

Während einige mit Maßnahmen aufgeregt herumfuchteln, proklamieren andere genau das Gegenteil. Wenn etwas getan wird, stellt es sich  alsbald als unzulänglich und unwirksam heraus. Nichts ereignet sich wie geplant, alles ist immer anders und trotzdem funktioniert und läuft der Kongress wie am Schnürchen. Aber keiner kann den Motor wirklich warten und beeinflussen.

Wir sehen das Rechtswesen ausgehebelt, 

die Gesundheit gefährdet, 

das Geld entwertet, 

die Gesellschaft gespalten, 

alle Werte entwertet… 

Während wir jammern, scheinen sich die Verhältnisse so verschoben zu haben, dass wir vor einem Berg  negativer Tests nicht mehr genau wissen, was daran negativ oder positiv ist.

Könnte es nicht sein, dass wir gerade sehr viel bewältigen, was wir ohne die Krankheit nie angepackt hätten? 

Oder ist es noch zu früh, so etwas zu denken, ohne als Reaktionär abgestempelt zu werden?

Eines ist aber gewiss: Die Welt ist zum Narrenhaus geworden – und was bleibt uns zu tun? 

Wir müssen bessere Narren werden, ganz gewiss! 

Erregungskultur

Es gibt einige Hinweise, wann der Kongress in Vorbereitung ging.

Einige meinen, er hätte international mit der Watergate-Affäre begonnen. 

Andere behaupten, in Österreich wurde er mit dem Populismus eines Schüssel und Haider eingeleitet. 

Die Diskussion um das Gendern und die Rassismus-Debatte wurden hier auch genannt.

Ich meine zu erkennen, dass der Streit um den „Menschenpark“, diese Rede von Peter Sloterdijk in Elmau [1999], die Wende im Denken brachte. (1)

Sloterdijks geniale Parallelführung der Pest mit unserer medialen Erregungskultur ist u.a. für den Kongress wegweisend. 

Diese kleinen Tierchen, die keine sind und sich permanent verwandeln, ohne dass wir genau wissen, was sie wieder anrichten werden oder nicht, verhalten sich äußerst kooperativ mit der Erregungstechnik unserer Nachrichtenkultur, die immer neues Informations-Futter braucht, um es in Geld zu verwandeln.(2)

„Eselsturz“

Als der österreichische Maler Günter Lierschof 2019 den „Eselsturz“ für das Triptychon in der Christuskirche in Grainau malte, ahnte er nicht, wie diese Bildfahne zum Symbol des – ab März 2020 weltweit einsetzenden Kongresses wurde.

Mehr als dreihundert Jahre nach 

dem Wiener Kongress, an die hundert Jahre nach der Parallelaktion von Robert Musil im „Mann ohne Eigenschaften“ und 50 Jahre nach dem futurologischen Kongress von Stanislaw Lem 

etablierte sich der Kongress ausgehend von Taiwan, China, über Bergamo, Italien und Ischgl in Tirol, Austria, weltweit.

Wie gesagt, er etablierte sich, ohne je eröffnet worden. zu sein. Tätig wurde er, als eine Flut von Neuigkeiten aus allen Teilen der Welt verarbeitet, eingeordnet und häppchenweise, leicht verständlich verpackt, an den richtigen Stelle platziert werden musste, möglichst schnell auf alles reagiert und geschmeidige Antworten gefunden werden mussten.

Gerade wenn es offensichtlich keine Antworten gab, mussten welche gefunden werden. 

Damit das „dumme Volk“ seinem Tagwerk nachgehen konnte, mussten Antworten dosiert und abgewogen und der sich schnell ändernden Lage angepasst werden. 

Das Ziel war es, den Taxifahrer in Kürze zum Fachmann für Virologie, Statistik und Modulierung auszubilden, damit dieser dem Fahrgast und sich selbst erklären konnte, wieso gerade dies geschah und nicht nichts. Was in den meisten Fällen besser gewesen wäre.

All die neuen Virusvarianten brauchten Namen,  spezielle Maßnahmen mussten betitelt, beruhigend  umhüllt, geschärft und zugespitzt werden. Ob jemand erkrankt oder nur infiziert war, alle die Fachbegriffe, die bisher nur Spezialisten kannten, mussten immer und immer wieder neu geschaffen werden, bis sie jeder, auch der Erklärer selbst, verstand und glaubte. 

Alle Verlaufskurven mussten gezeichnet, gelesen und interpretiert werden, damit sie zu den gerade gängigen Leitmotiven passten oder zumindest deren Richtung andeuteten.

Test- und Impfverfahren mussten den Konsumenten näher gebracht werden, abschreckende Szenarien bebildert, gut erzählt und emotional geladen platziert  werden. 

Die allgemeine Sprachverwirrung musste optimal genützt werden, um über Wordings und beispielhafte Satzbildungen den Menschen Brauchbares an die Hand zu geben, damit sie damit herumfuchteln konnten. Im Netz, bei Freunden und in der Familie konnten Meinungen und Posts abgesetzt werden, die den hilflosen Eindruck erweckten, mit beteiligt zu sein. 

Seit Watergate hat sich der Kongress auf den Gebrauch und Missbrauch von Tatsachen eingeübt. 

Im Kongress können nun die geübten Fachkräfte für  Sprachführung zeigen, wie gut sie sich darauf vorbereitet hatten. Die Technik emotionaler Führung, die im Populismus, in der Gender- und Ethnien-Debatte bestens einübt wurde, kann nun im Kongress  auf einer höheren Ebene eingesetzt werden. 

Keiner soll annehmen – nur weil ganze Spezialabteilungen des Kongresses daran arbeiteten, stündlich die sich verändernde Welt zu erklären – sie täten dies für uns. 

Kongress tagt

Auf den ersten Blick mag es so aussehen! Bei genauerem Hinsehen und Hören können wir wahrnehmen, dass zuallererst die Welt-Erklärer sich selbst die Welt erklären. 

Immer wenn sie uns besonders überzeugen wollen, müssen Sie sich selbst dazu motivieren. Sie müssen sich selbst einreden, dass es so sei, wie sie sagen.  

Der begleitende Ruf nach Vertrauen, Zusammenhalt, Solidarität und Gruppenzugehörigkeit verweist auf einen nicht unbedeutenden Anteil an Selbstsuggestion mittels der Fremdsuggestion.

Und trotzdem läuft die Maschinerie ohne die Steuerung der Steuerer,

 und sie läuft und läuft und läuft gut. 

Egal, was erzählt, bestimmt, eingesetzt und ausgesetzt wird, die Maschinerie des Kongresses und ihre Funktion ist das einzig Gewisse.

Wie schon angedeutet, das Besondere an diesem Kongress ist, Wir alle nehmen an ihm teil, der Spezialist wie der Laie. 

Die hübsche junge Redakteurin, der starrköpfige Mathematiker, die engagierte Pflegerin, die Lastwagenfahrerin und die Paketausträgerin, der Kanzler und die Kanzlerin, alle werden im Kongress zu SpezialistInnen und bekommen jenen Medienauftritt, den Andy Warhol jedem Menschen wünschte.

Medien, die gerade noch vor dem Aus standen, wie die Öffentlich-Rechtlichen Anstalten, viele VerlegerInnen und Wissenschaftlerinnen, die wenig oder nie wahrgenommen wurden, sind jetzt gefragt wie nie. 

Karl Lauterbach

Auf Plakatsäulen, auf den Titelseiten der Hochglanzmagazine, am Bildschirm prangen Muttis und Papas, Experten aus Großlaboren und Modulieranstalten. 

Es blieb keine Zeit – wie bisher in Politik und Journalismus üblich – eine attraktive Figur dort zu platzieren, weder Frisur oder Figur musste passen, wenn es um Inzidenzen und steigende Kurven ging. Endlich hatte die Sachlichkeit gesiegt, und auch Unansehnliches bekam mediale Aufmerksamkeit.

So bildeten sich Superstars wie Drosten und Lauterbach heraus, auch  wenn sie den Wahnsinn ihrer Fächer vertraten. Gerade sie stiegen zu den Hohen Priestern des Kongresses auf. Sie wurden zu Hoffnungsträgern, die das Banner des kommenden Sieges vor sich her trugen. 

Die Heiligen der anderen Seite,

die wie Säulenheilige im Schnellverfahren aus dem Boden in ungeahnte Höhen aufstiegen, waren oft schnell wieder am Boden der Tatsachen angelangt. Der Gegendruck lässt ihre Monde, so rasch sie auch aufstiegen,  schnell wieder verblassen. Einige melden sich bei Gelegenheit wieder und halten Wache.

ein Heiliger der anderen Seite

Neben den Stars haben inzwischen im Kongress ganze Scharen von SpezialistInnen auf allen Seiten lukrative Jobs bekommen, die sie jetzt nicht mehr verlieren wollen. Sie werden vom Militär lernen müssen – ohne Krieg, ohne die Krankheit wirksam bleiben zu können.

Durch den Kongress stehen 

die Real-Wirtschaft, 

die Geldwirtschaft, 

der gesamte IT Bereich, 

die Pharmaindustrie, 

der Pflegebereich, 

der Handel, 

die Logistik und Materialbeschaffung, 

die Rechtssprechung und der Staat, 

die sozialen Beziehungen, 

die Medien

…….. 

vor unvorstellbaren Herausforderungen und es wurden neue Möglichkeiten geschaffen, die in Vor-Kongresszeiten nicht denkbar gewesen wären, schon gar nicht in unsere trägen demokratischen Politikverfahren. 

Ohne es an die große Glocke zu hängen, richteten sich innerhalb des Kongresses Abteilungen für unterschiedlichste Funktionen ein. 

Unser Interesse richtet sich auf die Abteilung mit dem Titel: „Auf der Suche nach dem Dümmsten“. Deren Ziel es ist, den Anteil der Dummheit am Fortschritt zu erfassen.

Dummheit wird, wie wir alle wahrnehmen, in „der Krankheit“ immer wieder als entscheidende Kategorie herangezogen.

Die Dummheit ist dann jene Wand, hinter der sich die wesentlichen Fragen verbergen.

Die Abteilung

Dr. Drosten war nach Einrichtung „der Abteilung“ deren Aufgabe sofort klar: aufklären! aufklären! aufklären! 

Sofort nach Ausbruch von Covid-19 richtete er einen Podcast ein, in dem er täglich, etwas verschlafen, von der Viren-Front berichtete und damit nicht nur die Damenwelt verzückte, sondern alle Medien  aufhorchen ließ, die darauf mit eigenen Podcasts zum Thema nachlegten.

Unter dem Esel-Banner versammeln sich schnell die unterschiedlichsten Auffassungen der Disziplin Dummheit. Da kann es vorkommen, dass gerade die, welche am schärfsten gegen Dummheit vorgehen, am stärksten zu ihrer Verbreitung beitragen. Anderenorts wurde das „Dialektik der Aufklärung“ genannt.

Christian Drosten

In „der Abteilung“ werden für einzelne Unterabteilungen Akten eingerichtet wie „LOKI“, 

in der alle jene Beispiele von Aufklärung gesammelt werden, welche die Aufklärer selbst in Dummheit stürzte, aus der sie sich selbst schwer befreien können.

Eine zweite Akte nennt sich „Bileam“ in ihr werden Fälle von „der Klugheit der Dummheit“ gesammelt.  

Der dritte mir bekannte Akt der Abteilung nennt sich „Im Sumpf“ in ihm werden Beispiele aufgeführt, die gewollt wie ungewollt zur Massenleitung = Manipulation dienen. 

Überspringen wir die ersten Irritationen im Sprachgebrauch, als wir noch lernen durften, alle  Nachrichten misstrauisch zu beäugen und Tatsachen  daraufhin zu beobachteten, in welche Richtung wir durch sie gelenkt werden sollen. 

……………………..

Die Klugheit von D

Dort war ein Tweet von Twitter aufgezeichnet, welcher die Verfassung der „Abteilung D“ einigermaßen charakterisiert.  

Der sichtlich erregte Post zur Dummheit der Mitmenschen sollte deutlich machen, dass der Schreiber sich des Ausmaßes an grassierender Dummheit nicht bewusst war. Er bekam daraufhin viele  Reaktionen mit positiven- wie negativen- Antworten.

Dem Schreiber war bereits klar, wen er für dumm, ja geradezu saudumm hielt, nämlich die Impfverweigerer, sprach das aber nicht aus. Jemanden für dumm zu halten genügte ihm, wer damit gemeint war, sollte jedem klar sein.

eingeflüstert

Der Post bekam von beiden Seiten Zustimmung. Jede, jeder nahm mit größter Selbstverständlichkeit an, der Leser gehe vom selben Vorurteil aus wie der Schreiber. So erregten sich Geimpfte – unterm Banner des Esels – über die Blödheit der Ungeimpften gleichermaßen, wie Ungeimpfte über die Dummheit der anderen.

„Die Abteilung reflektierte, was da geschah.“ 

Beide Seiten stießen beim Gegenüber auf eine Grenze, von der sie annahmen, dass diese bei ihnen nicht existiere. Diese Grenze wurde Dummheit genannt.

Die Annahme, dass die Grenze nur bei den anderen existiere und nicht auch bei sich selbst, kann Dummheit genannt werden.

Dummheit ist somit das Wort, das die eigene Grenze bezeichnet, über die man im Denken nicht hinaus  kann oder will.

Die Dummheit der anderen ist immer die eigene. 

Dummheit zeigt die Stelle an, an der wir nicht weiterkommen. Das hieße, hinter der Schwelle Dummheit beginnt der Bereich der Klugheit. 

Von der Klugheit aus betrachtet hieße das, die Dummheit ist der (verschlossene) Eingang zur Klugheit .

Der Esel des Bileam

Aus der Kongressakte

Der störrische Esel rettete Bileam ( so im Alten Testament beschrieben) den Seher vor dessen sicherem Tod. Das war auch die Rettung Israels, denn Bileam war ausgeschickt worden, um Israel zu verraten und ins Unglück zu schicken. Das sture Verhalten des Esels, der nicht weiter wollte, ließ den alten Juden umkehren.  

Nicht umsonst hat die Geschichte vom störrisch-dummen Esel sich so lange gehalten, weist diese uns doch auf eine sprachlose Widerständigkeit hin, die sich letztlich als Klugheit herausstellt.

„Im Sumpf“

Im Sumpf

„Abschließend möchte ich noch aus dem „Papier“: mit dem Titel „im Sumpf“ einen prägnanten Ausschnitt zitieren.

In der Akte wird die Mehrdeutigkeit von Worten daraufhin untersucht, wie diese manipulativ verwendet werden konnten, ohne verwendet worden zu sein:“

„IMPFUNG“, „IMPFDURCHBRUCH“ und „BOOSTER“ werden daraufhin untersucht, wie aus Worten Taten werden, (X) wie Sprechen unser Denken und Handeln leitet. 

(X)Dass es in diesem Vorgang weniger um Täter geht, sondern solche Verschiebungen zuerst unbemerkt geschehen, dann aber interessengeleitet ausgenutzt werden, ist anzunehmen.

Die „mRNA „Impfungen“ sind mit den bisherigen Impfungen kaum vergleichbar – nicht nur wegen ihrer Gen-Technik –  aber werden trotzdem „Impfung“ genannt. Sie werden den Impfungen für Masern und Pocken gleichgestellt, obwohl offensichtlich ist, dass eine vollständige Immunisierung, wie durch die Pockenimpfung, nie gegeben ist.

Wir wissen inzwischen, dass nach dreimaliger „mRNA Impfung“ der Körper selbst nicht genügend Abwehrkräfte aufbauen kann, um den Viren 100% zu widerstehen. Das liegt nicht nur an den immer neuen Varianten des Virus, sondern an dem, wie diese „Impfung“ Körperabwehr aufbaut. 

Das Un-Wort „Impfdurchbruch“ suggeriert, dass mit der Impfung ein Wall aufgebaut wird und wie bei einer Überschwemmung, an einigen Stellen der Deiche, der Wälle aus Sandsäcken, zu Durchbrüchen kommt und das Virus, wie Wasser, alles zu überschwemmen droht. 

Virologen wie Dr. Drosten haben uns von Anfang an erklärt, dass die Impfung nicht vor Ansteckung, Erkrankung schützt und sie weiterer Auffrischungen bedarf. Das Wording „Impfdurchbruch“ wurde – wegen seiner missverständlichen Bedeutung –  bei Politikern und Journalisten sehr beliebt. Um uns dummen Menschen nicht zu verunsichern, geben sie uns einfache, unverwechselbare Worte an die Hand, damit wir uns besser in der komplexen Welt orientieren können. 

Aber es brechen keine Deiche! Diese Deiche sind nur für eine begrenzte Zeit errichtet worden, nach 4-6 Monaten sind die Sandsäcke, die gegen Viren schützen sollen, längst nicht mehr da.

Der „Booster“,  ist eine weitere bewundernswerte Worterfindung, die längst einen Oskar für gelungenes Sozialdesign erhalten müsste. Mit diesem Wort wird ein Vorgang aus der progressiven Raketentechnik eingeschleust. Bei Weltraumraketen wird ein letzter Düsenantrieb, der Booster, gezündet, um die Rakete auf die richtige, endgültige Bahn zu lenken. 

So wird mit dem Wort „Booster“ suggeriert, es sei damit die optimale Impfwirkung erreicht worden. Nur wussten die Medizin-Techniker bereits im Vorfeld, dass diese Wirkstoffe, auch bei dritter Impfung keine Immunisierung garantieren.

Auch diese „Wortkreatur“ ist mit einem Ablaufdatum versehen, sobald offensichtlich wird, dass damit nicht das Ende der Impfkampagne erreicht ist.

Irgendwann wird die Absurdität aller Worterfindungen übersteigert und sie verschwinden. Jene, die sie noch vor Wochen proklamierten, weisen uns jetzt auf ihren inkorrekten Gebrauch hin.

Ja, wir stecken tief im Sumpf der Worte.

„Der Text wurde von mir so bearbeitet, dass Sie nur die Ergebnisse und Schlussfolgerungen lesen müssen und ihnen Untersuchungen und Statistiken erspart bleiben.“

Vor der Impfung sind alle gleich!

„Die Krankheit“ als Information

„Abschließend noch ein Leitpapier, das noch in Arbeit ist:“

Schon zu Beginn des Kongresses wurde klar, hier ist eine babylonische Sprachverwirrung zu organisieren. 

Die Frage zu Anfang des Kongresses war:

Geht diese Sprachverwirrung nicht aus einem strukturellen Wandel in der Medizin selbst hervor? 

Zuerst war der Unterschied an der Altersstruktur von Befürwortern und Kritikern feststellbar. Die Kritischen waren die Älteren mit konservativen Auffassungen, die Progressiven gehörten einer jüngeren Generation an. 

Auch eine Verschiebung der Fachrichtungen war zu beobachten, die Stimmen von Mikrobiologen, Virologen und Statistikern drängten in den Vordergrund, erst bei den Kapazitätsgrenzen der Krankenhäuser tauchten wieder Praktiker auf.

Es hat den Anschein, dass mikrobiologische Verfahren, wie die Sequenzierung von Viren, die genaue Erkennbarkeit der Viren und ihrer unterschiedlichen Stämme, die Medizin zu beherrschen schien. 

Alles kam darauf an, die Viren zu erkennen und genau festzustellen, dass genau diese Virenart in der Nasenschleimhaut angekommen sind. 

Hallo, hier seid ihr! 

Ja, wir haben Euch erwischt! 

War die große Freude und damit begann sich ein Abgrund aufzutun.

Wer wird angesteckt? Erkrankt man daran, hat man nur leichte oder schwere Symptome, oder stirbt sogar daran, gehört man zu den Vulnerablen, zu den Übergewichtigen, zu den Alten, den Lungenkranken usw.?

Die bisherige symptomatische Medizin, für die Erreger nur einen Aspekt der Diagnose darstellen, rückten in den Hintergrund, mikrobiologische Untersuchungen rückten in der Vordergrund. 

Dazwischen riss ein tiefer Graben an Unverständnis auf.

Impfungen werden weitgehend an jeden verabreicht. 

Ob jemand fettleibig oder magersüchtig ist, ob er lahmt, kaum mehr schnaufen kann, mit Krätze oder Krebs befallen ist: Vor der Impfung sind alle gleich!

vor der Impfung sind alle gleich

Die Vereinheitlichung des Menschen aufgrund mikrobiologischer Technik verbindet sich im Kongress  mit der besonderen Art der Aufbereitung von Informationen durch Medien.

Die Informationsflüsse, die wir der Natur, hochtechnisch verstärkt, ablauschen, wurden im Kongress zum Beschleuniger der Informationsflüsse in den Medien. „Die Krankheit“ war genau das, was die Medien brauchten, um sich nützlich zu machen, um wieder Macht zu erlangen.

Die Lücke ist riesengroß, zwischen mikrobiologischen Testverfahren, gentechnischer Impfung und dem Menschen, bei dem die Infektion als Krankheit erst ankommen muss, zu leichten oder schweren Verläufen führen kann, oder eben nicht.

Groß ist der Berg an Informationen, die durch die Testverfahren gewonnen werden. Für sich sagen sie wenig aus, werden sie nicht auf jene Informationen abgestimmt, die den Ausbruch der Krankheit und dessen Verläufe betreffen.

In die Lücke, die aus den unterschiedlichen Aufgaben von Biochemie und Medizin erwachsen

grätschen die Medien hinein, die Informationen in Erregungskultur umarbeiten. 

Hören wir NachrichtensprecherInnen zu, so liegt ihr größtes Können darin, mit einer erregenden Nachricht eine andere zu erschlagen. Mit steigernder Erregung werden Informationen gegenseitig neutralisiert, ein Staunen folgt dem anderen, bis wir endlich gelangweilt das Staunen verlernt haben. 

Radio- und FernsehsprecherInnen können erkannt werden: Egal was sie sagen, ob sie klirren, flirren, flackern, gackern oder blöken, alles wird von Pauken und Trompeten begleitet, die Gefühlslagen  werden steil ansteigenden und abrupt abfallenden Kurven angepasst. 

Sie achten streng darauf, dieses Wechselbad der Gefühle als das Normalste der Welt erscheinen zu lassen. 

So vielfältig schillernd ist eben ihre Welt!

Auch wenn sie unsägliche Langweile verbreiten, indem sie abwechselnd extrem erregen und beruhigen: Wir hören ihnen zu. 

So lange da draußen eine Welt ist  – egal wie grauenerregend sie sein mag – wissen wir, dass wir existieren. 

GL

(1)Sloterdijk meint, dass alles

„im Jahr 1347 begann, als die Mongolen die genuesische Kolonie Kaffa auf der Krim, das heutige Feodossija, belagerten. Es breitete sich in ihrem Lager eine tödliche Seuche aus, die ihre Opfer furchtbar entstellte. Um die uneinnehmbare Stadt doch noch zur Aufgabe zu zwingen, schleuderten sie die Leichen mit Katapulten über die Stadtmauern. Die entsetzten Verteidiger bemannten daraufhin ihre Schiffe und flohen nach Italien. Damit kam die große Pest nach Europa. Innerhalb weniger Jahre fielen ihr mindestens ein Drittel seiner etwa 80 Millionen Einwohner zum Opfer.“ (X) (https://www.welt.de/geschichte/article184760046/Seuchen-Mit-diesem-Luxusgut-kam-die-Pest-nach-Europa.html)

(2)Den Vorläufer dieser Erregungskultur sieht Sloterdijk in der Novelle, im besonderen im Decamerone von Boccaccio siehe in: „Den Himmel zum Sprechen bringen“ PS

Die ÖKOLOGIE der Systeme

Beuys / Luhmann 5

„durch Luhmann – darüber hinaus“

Innstallation“ Das Rudel“ von Joseph Beuys , Neue Galerie Kassel

In der Fortführung des ungehörigen Vergleichs Beuys / Luhmann (1) rücken immer stärker ihre unterschiedlichen Denkweisen in den Vordergrund, denen wir noch einmal unsere Aufmerksamkeit widmen wollen. 

Interessant ist es, wenn man bei der Charakterisierung des Unterschieds auf die eine oder andere Denk- bzw. Sprechweise zurückgreift. So stellt sich der Unterschied einmal systemisch, einmal analog dar.

Analoges Denken 

ist uns nicht mehr so geläufig, auch wenn es jenes Denken ist, mit dem unsere Alltagssprache gesättigt und durchtränkt ist, und mit der Nennung jedes Narrativs immer wieder erneuert wird.

Vergleiche, bildhafte Annäherungen, gleitende Bedeutungen, Zwei- und Mehrdeutigkeiten sind analoge Denkfiguren, für welche die Rhetorik Begriffe wie Metonym, Metapher, Synekdoche zur Verfügung stellt. 

( Im erotischen Geplänkel der Geschlechter können wir ungewollt zu MeisterInnen analoger Schlüpfrigkeiten werden und im Fettnäpfchen landen.)

Narrative arbeiten mit analogem Denken und bauen es in Großerzählungen ein, wie wir sie aus den Religionen und Ideologien ( Kommunismus, Kapitalismus, Liberalismus, Humanismus…) kennen. 

Analogien, die kleinen Schwestern der Narrative, finden hingegen ihre Brücken schon in Lautähnlichkeiten von Wörtern, über die der Sinn gleitet. Analogien haben immer auch etwas von Selbstsuggestion und Spiegelfechterei.

Niklas Luhmann setzt sich mit der Systemtheorie vom analogen Denken der Organtheorien ab, die den Bau des menschlichen Körpers mit dem Bau der Gesellschaft vergleichen und setzt sich damit vom Humanismus ab, für den der Mensch Teil der Gesellschaft ist (2).

Den Menschen von Gesellschaft abzutrennen erschien ihm notwendig, um das Soziale für sich zu fassen, um der Ineinader-Verschlingung von anthropologischer Annahme und sozialer Konditionierung zu entgehen.

Wenn Joseph Beuys seine „Theorie“ ausbreitet, die in ihrer textliche Ausformung (3), mit Rudolf Steiners Idee nahezu identisch ist, bedient sich diese eines analogen Denkens und zieht z.B. den Körper als bildlichen Vergleich für den Bau des Sozialen heran.

Dem Bildhauer steht der „Kopf“ für das Denken, der „Brustkorb“ für Empfindung, und die „Gliedmaßen“ symbolisieren das Wollen.

Dieser symbolische Körper wird dann analog zu Wissenschaft (Denken) Kunst (Fühlen) und Wirtschaft (Wollen) gesetzt.

aus Gespräch mit Hagen 1972 Schirmer Verlag Köln

(Nach meiner Zuschreibung geht es hier um den Willen und sein Verhältnis zum Magnetismus der Erde, dieser taucht auch bei der Aktion „wie man dem Hasen die Bilder erklärt“ in Form von Metall-Schiern auf, die an den Schuhen befestigt waren)

Hier scheinen die Denkweisen weit auseinander zu liegen und Aussagen von Luhmann folgend, müssten wir die Beuyssche Art des Denkens in die „Alteuropäische Tradition“ abschieben, deren Kraft nach Luhmann längst aufgebraucht ist. 

Luhmann behauptet, mit der Systemtheorie sei ein grundlegender Paradigmenwechsel erfolgt, indem der Mensch nicht mehr Teil des Sozialen ist, sondern zu dessen Umwelt gehört. 

Die vorerst eigenartig anmutende Konstruktion des Sozialen erweist sich bei genauerer Sichtung aber als sehr brauchbar. 

Gehört Joseph Beuys, der erweiterte Kunstbegriff und die „Soziale Plastik“ zum alten Eisen?

Verfolgen wir die Argumentation von Luhmann weiter, der die Abtrennung des Menschen von Gesellschaft für notwendig hielt, so ergibt sich für den Menschen daraus ein bedeutender Vorteil, wird der Menschen dadurch doch außerhalb sozialer Konditionierung eingeordnet und kann damit auch etwas Falsches machen, ohne als Mensch sozial ausgegrenzt zu werden. 

Trotzdem entgehen Begriffe wie „Mensch“, „Individualität“, „Subjekt“, „Autor“ nicht der Kommunikation, die Selbstbeschreibungen innerhalb der Gesellschaft bedürfen. 

Die Suche nach Individualität, die sich durch das Kopieren von Idolen, Moden, Karrieren usw. ausdrückt , führen zum genauen Gegenteil: Statt Einzigartigkeit erreicht zu haben wird Konformität, wie das Tragen von Blue Jeans, zum Ausdruck von Individualität.

„Jeder ein Künstler“

Ist das vielzitierte Sinn-Kürzel von Beuys eine Selbstbeschreibung / Selbstermächtigung / Selbstüberhöhung ?

Oder eher ein Aufforderung in uns Quellen zu entdecken, die in funktional differenzierten Welten verschüttet sind?

Ist es ein Appell aus der Not einer Krise, die wir Umweltkrise nennen und für die wir alle unsere Fähigkeiten aufwenden müssen, um sie bewältigen zu können?

Kann die Kunst überhaupt etwas anderes als Kunst machen?  

Ist nicht dieses Ausgeschlossensein ihre spezielle Qualität für die Welt?

Was beschreibt das Bild: „Jeder Mensch ein Künstler“? 

Einen Menschen, der von außen, als freier Mensch an der „Sozialen Plastik“, arbeitet. Der Stein aus dem Michelangelo seine Figuren schlug, funktioniert nach eigenen Gesetzen, die der Bildhauer in seine Vorstellungen mit einbezieht, so kann Plastik gelingen.

Wie das heute konkret geschehen könnte, haben Beuys modellhafte Beispiele in der Aktion der 7000 Eichen in Kassel gezeigt. Bei genauer Betrachtung stellt sich heraus, dass das Gesamtwerk von Beuys unzählige Beispiele enthält, die angeben, wie Soziale Plastik funktionieren könnte und die Grenzen der Kunst überschritten werden können.

Ich möchte hier nur das Beispiel der Multiple von Beuys anführen, durch die er den Zwängen des Kunstmarktes entkommen konnte.

Im Unterschied zu Luhmann bezog sich das Handeln von Beuys nicht nur auf seinen Bereich, die Kunst und die Hochschule, sondern er griff immer wieder direkt mit politischen Aktionen ( Besetzung der Kunstakademie) ins soziale Geschehen ein. 

Die Gründung der Grünen ist ohne Beuys nicht denkbar, war er doch das Bindeglied zwischen „konservativen“ und „revolutionären“ Kräften. Beuys konnte u.a. Rudi Dutschke dazu bewegen, an dem Projekt der „Bunten Liste, die Grünen“ mitzuwirken, wodurch die damaligen Linken erst zu den Grünen strömten. Dass gerade diese Gruppierung Beuys innerhalb der Grünen nicht hochkommen ließ, hat seine eigene Tragik.

Das Zentrum analogen Denkens 

kann in Goethe und dort, im vielzitierten Faust II lokalisiert werden  : 

Alles Vergängliche 

Ist nur ein Gleichnis

Das Unzulängliche 

Hier wird’s Ereignis

Das Unbeschreibliche 

Hier ist’s getan,

Das Ewig-Weibliche

Zieht uns hinan. 

Darin wird beschrieben, wie analoges Denken sich dem Lebendigen und dem Tod, dem sich permanent Wandelnden und dem Schicksal nähert, um das Unerreichbare, Unbeschreibliche zum Theater werden zu lassen. 

Mit anderen Worten, das Gleichnis stellt nicht nur Verbindungen, Bezüge, Vergleichbares her, sondern ist selbst auch eine reale Handlung wie der Ritus, die politische Proklamation, ein Gesetz, eine Verordnung, die wissenschaftliche Methode, eine Sprechhandlung.

Was in der Systemtheorie als System und Umwelt aufgefasst wird, deren Grenze nie überschritten wird, überbrückt das analoge Denken rituell handelnd, durch sich ereignende Gleichnisse, die die Grenzen der Systeme fluten, überbrücken, untertunneln, aufladen oder einschlagen,

Wenn in der Systemtheorie von Komplexität gesprochen wird, spricht man analog vom Schicksal, von Fortüne. Wird dort von Operation gesprochen, reden gerade zwei Menschen miteinander, das heißt systemtheoretisch: Es kommuniziert Kommunikation. Verhält sich in einem konfliktreichen Gespräch jemand so, dass trotz unterschiedlicher Meinung das Gespräch fortgesetzt werden kann, berücksichtigt er die Anschlussfähigkeit der Sprache.

In Alltagssprache 

Im Analogen heben Namen, Worte sich voneinander ab, deren Innen oder Außen nicht eindeutig zu trennen ist.

Analoges Denken setzt keinen Beobachter voraus, der einem System zugeordnet werden kann, der Beobachter ( sofern wir einen vorfinden) schwimmt in der Umgangssprache, bleibt luzide, zwielichtig, ist drinnen wie draußen, auch wenn er noch so sehr betont, dass er das eindeutig meint. Umgangssprache und Dialekte sind aus diesen Gründen leicht nachäffbar, ihre beruhigende Anziehung besteht gerade darin, dass das „volkstümlich“ Gesagte so ist, wie es ist und nicht anders. Jede Differenzierung würde die Kette des Gewohnten zerreißen.  

In der Systemtheorie gibt es für die Beziehung der Systeme untereinander den Begriff der strukturellen Koppelung, der über so scheußliche Worte wie Penetration und Interpenetration weiter ausdifferenziert wurde. 

Da werden dann Vorgänge beschrieben, in denen z.B. das Kommunikationssystem dem Bewusstseinssystem seine Komplexität zur Verfügung stellt und umgekehrt, sodass diese sich darauf evolutionär strukturierend einstellen können. 

So hat der Buchdruck (Kommunikationssystem) intellektuelle Fähigkeiten (Bewusstseinssystem) eröffnet, die in das Schul- und Hochschulwesen, sowie in die Wissenschaften eingeflossen sind, eine unstrittige Tatsache.

Und der PC seinerseits hat hier auch schon einiges geleistet…. 

Weiter analog ….

Kann das analoge Denken besser charakterisiert werden als durch sich selbst, nämlich bildhaft wie ein Monument mit einer großen Eins versehen? Damit nehmen wir aus dem digitalen Feld einen Spieler, die EINS und charakterisieren damit analoges Denken.

Im analogen Denken übernimmt das Bild die Oberherrschaft. Der Begriff Herrschaft ist hier treffend, neigt diese Art des symbolischen Denkens, (die Königsdisziplin der Religionen und der Künste) strukturell zur Hierarchisierung, bzw. zur Eingemeindung / Ausgrenzung.

Die Multifunktionalität der Systemtheorie zeigt hier eindeutig Vorteile im Gegensatz zum fluiden Denken, das in seiner Offenheit letztlich im Ich endet, im Ewig Weiblichen, in geistigen Hierarchien, im kreativen Menschen, auf dem alle Last abgeladen wird; im Tod, auch wenn es nur der Wärmetod sein mag, der uns droht. 

Die Grenzen (der Gemeinden) werden im Analogen nicht so genau wie in der Systemtheorie festgelegt. Da das Bild, je nach Zustand, je nach Laune, je nach Sicht und Perspektive, je nachdem wann und wie lange es wirkt und in welcher Umgebung es auftritt, welche Kriterien die Zugehörigkeiten festlegen, einer solchen Verwandlungsfähigkeit unterliegt, dass auch das genaue Gegenteil mit ihm vereinbar ist.

Digital – analog Ereignisse verzwergen digital

Der Übergang vom Analogen zum Digitalem ist nicht leicht feststellbar.

Technisch gesehen kann jeder Schritt nachvollzogen werden, wie die analoge Welt in eine digital abbildbare Welt überführt wird, wie zuerst Daten, die Schrift, dann das Bild, der Ton, das bewegte Bild und das dreidimensionale Bild digital wiedergegeben und elektronisch vermittelt werden.

Je mehr das Digitale durch die Computer in unser Leben Eingang fand und zur Gewohnheit wurde, umso mehr durchsetzt sich Analoges und Digitales, sodass es wohl technisch zu trennen ist, aber in der Wirkung auf unser Denken sich vermengt.

Z.B. werden in den Sozialen Medien geradezu Meinungen gezüchtet. Meinungen und Ideologien liegen ja irgendwo zwischen  begrifflich-logischen Denken und dem bildhaften Denken in einer trüben Mitte.

Meinungen verfügen nicht über die Instrumente exakt wissenschaftlichen Denkens und nicht über das analoge Wissen, das die Kunst, Dichtung und Musik ausgebildet hatte. Meinung beharrt auf dem Subjektiven und der Gültigkeit seiner Äußerungen.

Goethe betonte das Ereignis, er spricht davon, dass sich bildhaftes Denken ereignet. Er hatte in seinem inneren Auge ein Theater vor sich.

Im Internet und in den sozialen Medien verzwergen die Ereignisse. Was einmal großes Theater war, wird hier zum dürftigen Kleinformat.

Alles, was die Kunst, die Literatur, das Theater, die Musik hervorgebracht hat, was im Konzert, im Happening, in der Aktion, in der Performance seinen Höhepunkte fanden, wird digital verzwergt, geschrumpft, eingedampft, zum Instant Food, zur Konserve, zum Surrogat, zum Ersatz!

Und trotz dieser Verzwergung bleibt es so etwas wie eine soziale Handlung…?

Die wiederum dazu anregt, das Fehlende, den realen Auftritt herbeizusehnen, ihn wertzuschätzen, ihm neue Bedeutungen zu verleihen.   

Latenz 

Analoges Denken hält Latenz aufrecht. Die Latenszeit hat keinen Wecker, an dem wir ablesen können, wann die Zeit abgelaufen ist, und wann die Reaktion folgt.

Bilder ( hierzu zählen Plastiken, Szenen und Wortbilder) 

sind wie Depots, bewahren etwas auf, halten das Ereignis in der 

Schwebe, ziehen die Aufmerksamkeit, je nach Umständen auf sich, erfüllen sich dabei nie gänzlich, geben ihren Reiz, ihre Schönheit nie preis, können schnell langweilig, uninteressant werden, können überhöht werden, geraten zum Kitsch, schwinden, kippen von größter Aufmerksamkeit ins Vergessen, bis irgend etwas in ihrer  

„Schwazer Pfarrkirche mit Hirschen“ Günter Lierschof, Öl auf Leinwand 75/110

             

Umgebung sich ändert (4) und sie wieder in den Fokus rückten. Das Spiel kann von vorne beginnen ….. 

Bilder verzögern Kommunikation, (5) ziehen diese wie einen Pizzateig in die Länge und Breite, bewirken Aufschübe, lassen Anschlüsse offen, können auch als  „Kommunikationsverweigerungskommunikation“ bzw. als „Quasi-Objekte“, wie Luhmann die Arbeiten von Beuys nennen würde, auftreten. 

 Das „Digitale“ der Systemtheorie

„Digitales Denken“ ( 6), wie es die Systemtheorie anwendet, verfährt hier anders, es lässt flirrend irrlichternde Vexierbilder in ihrer Offenheit nicht zu, es differenziert Ereignisse aus z.B. in solche, die im Bewusstsein stattfinden und solche, die in Kommunikation vor sich gehen, obwohl sie real ( d.h. in unserer Alltagsvorstellung) nur Ereignis sind. Ein Satz, den jemand spricht, schreibt, postet wird  systemtheoretisch entweder dem Biosystem des menschlichen Körpers, dem Bewusstseinssystem oder dem Kommunikationssystem zugerechnet.

Das „Digitale“ der Systemtheorie braucht klare Zuordnung und sich abgrenzende Bezeichnung, etwas, das so und nicht so ist, etwas, zu dem ja oder nein gesagt werden kann, das für Kommunikation codifizierbar ist, damit Ordnung hergestellt und Anschlussmöglichkeit gegeben ist.

Das digitale Denken der Systemtheorie zeichnet scharf. Dunst, romantischer Nebel, Zwielichtigkeit, Zweideutigkeit, ästhetische Grauabstufungen, Abendstimmungen, schlierige Übergänge, Grisaille-Malerei, wo man nicht weiß, wann das Eine endet und das Andere anfängt. Systemgrenzen wie in der Physik, der Psyche und der Biosphäre zu kreuzen, werden nicht zugelassen, können aber sehr wohl wahrgenommen werden, wie Luhmann fast poetisch vorführt (7).

Schein von Sein, Schatten von Substanz, Zeichen von Bezeichnetem, System von Umwelt….muss deutlich getrennt sein, unterschieden werden.

UNTERSCHEIDEN ist DIE Voraussetzung! Es ist der Zugangscode, das Skalpell, die Trennschärfe, es ist der Zerberus, der den Eingang bewacht.

All das, was das Gemüt so liebt, was Dichtung, Musik und Malerei, was das Leben interessant macht und gleichzeitig gefährdet, scheut das Analytisch-Digitale wie der Teufel das Weihwasser.

Was nicht in Ja und Nein, in Schwarz und Weiß zu unterscheiden ist, was nicht als System und Umwelt gesehen werden kann, was nicht dem Einen oder Anderen zuzurechnen ist, wird ausgeblendet. 

Was nur unterscheidet, um diese Unterschiede gleich mit allen erdenklichen Mitteln unkenntlich zu machen, wo Ambivalenz angestrebt wird, wo Widersprüche stehen gelassen werden, diese sogar produktiv eingesetzt sind (wie in Musik, Dichtung und Malerei ), da ist das Digitale taub. 

Das wusste Niklas Luhmann und er hat aus diesen Übergängen und Ineinaderschachtelungen besonders das Paradox besonders hervorgehoben. 

Etwas, das sich durch sich selbst bestimmt und dadurch sich selbst verschlingt, wie die Schlange, die sich selbst auffrisst. Er liebte das Paradox und betont in seinen Büchern immer wieder, wieviel solcher Schlingfallen er in seine Texte eingebaut habe.

Die Trennschärfe des „digitalen Denkens“ findet im analogen Denken anders statt, wie wir gleich sehen werden. 

Ouroboros. Zeichnung von Theodoros Pelecanos aus Synosius, einem alchemistischen Traktat aus dem Jahr 1478

Wo die Analogie nach Verbindendem sucht, sucht das „digitale“ nach Differenz. Die folgende Gegenüberstellung zeigt, dass das Eine ohne das Andere nicht existent ist

Zeichen und Wahrnehmung analog

Bildhaft werden mit Namen und Bezeichnungen, Qualitätsunterschiede von Farben oder Tönen erfasst, die nur in Korrespondenz mit dem Bezeichneten, mit der realen Farb- oder Tonwahrnehmung ihre Stärke entfalten. 

Z.B. kann Blau als noch offene Bezeichnung, die sich von allem Nicht-Blauen absetzt, der Wahrnehmung helfen, weitere Unterscheidungen hervorzubringen, die ihrerseits wieder in Bezeichnungen z.B. „Ultramarinblau“ „Preußischblau“ oder in weitere Beschreibungen einmünden. 

Analoges Denken trennt die Zeichen vom Bezeichneten nicht so scharf, spricht Worte aus, um der Wahrnehmung auf die Sprünge zu helfen, erzeugt Felder für Wahrnehmungen und Handlungen, gibt der Wahrnehmung etwas vor, deren Informationsgehalt und Verständnis sich im Wahrnehmen des Angesprochenen erst ereignet.

Das Verhältnis von Wort und Wahrnehmung funktioniert wie die Metaphorik der Alltagssprache, deren Witz und Zweideutigkeit immer kontextbezogen ist. Ein Witz kann abrupt von positiv ins negativ kippen. 

Judenwitze, von Juden erzählt, sind etwas völlig anderes, wie dieselben Witze, von einem Nichtjuden dargeboten.  

Handlung / Operation 

Luhmanns Systemtheorie ist als Theorie der Kommunikation ein Hybrid zwischen einer Handlungstheorie und einer Art Sprachtheorie, ähnlich der Grammatik, Poetik, Rhetorik, die das System der Sprache beschreiben und auch ohne den intentional handelnden Menschen, ohne Subjekt auskommen.

Aus sozialen Handlungen, wie noch bei Max Weber, werden bei Luhmann Operationen und damit Optionen. (8) Menschen, Personen, Individuen führen Handlungen aus, denen intentionales Tun zugesprochen wird, während Operationen mit Zeichen auf der Ebene der Kommunikation arbeiten (Adressen, Personen, Rollen). 

Was aus Sicht des Menschen eine soziale Handlungen ist, ist aus der Sicht der Kommunikation eine Operation, die Optionen offen lässt und über Anschlussfähigkeiten verfügten muss, damit Kommunikation weitergeführt werden kann. 

In der Kommunikation gibt es keine „Menschen“, da diese selbst Teil der Kommunikation sind und als Rollen, Personen, Adressen, Individuen auftreten, die selbst nicht „natürliche Personen“ (9)

sind, sondern wiederum ausschließlich kommunikativ (sozial) bestimmt werden.

Alles was im üblichen Sprachgebrauch als intentionaler Akt angesehen wird, ist systemtheoretisch eine Operation zur Kommunikation. Bei sozialen Handlungen wird der Ursprung im Willen lokalisiert, auch wenn derjenige nicht weiß was er tut, so ist das eben seine Intention. Systemtheoretisch wird jede Äußerung als Teil von Kommunikation betrachtet, Intentionen werden nicht abgestritten, sie werden aber entweder als Mitteilung, Information oder als Verstehen ausdifferenziert.

Erläuternder Einschub 

Ich schiebe diese verkürzte Darstellung der Elemente der Systemtheorie hier ein, um fragen zu können, wieweit der von Luhmann abgewiesene Handlungsbegriff mit der Art von Handlung im oben zitierten Satz von Goethe übereinstimmt oder nicht.  

System / Handlung / Ökologie

„Hier wird’s Ereignis, hier ist’s getan.“ 

Das Gleichnis, das Bild ereignet sich, wie Goethe ausdrückt.

Gleichnishafte Sätze sind Auftritte, Bilder sind Inszenierungen, die gerahmt, an Orten zur Aufführung kommen, sich ereignen.

Analoges Denken ist immer auch Tun und somit auf Wirkung und Reaktion bezogen, während wir digitales Denken weitgehend als intelligenten selbstbezüglichen Vorgang ansehen können. Es teilt, zählt, unterscheidet, bringt weitgehend sich selbst aus sich hervor, reagiert auf seine Umwelt.

Im System ist das Verhältnis von System und Umwelt im System nicht direkt feststellbar, von außen ist deren Koppelung beobachtbar, wobei der Beobachter wiederum ein System der Beobachtung baut usw,.

Das digitale Denken, dessen Wirkung wir u.a. am Computer und dessen Folgen beobachten können, kann heute auf Grund seines Energieverbrauchs nicht mehr getrennt als in sich kreisender, kommunikativer Vorgang betrachtete werden. Zumindest im Verzehr von Energie ist Kommunikation strukturell an Natur gekoppelt. 

Wir können Kommunikation als System vom menschlichen Handeln abtrennen, aber gerade dadurch wird Kommunikation selbst zur Handlung mit realen Wirkungen, realen Zusammenhängen und Voraussetzungen.

Der Begriff der Handlung 

Foto aus dem Projekt 7000 Eichen

nimmt Bezug auf Natur und ist nicht nur abstrakt in Raum und Zeit vorhanden. Nur konkret ergibt der Handlungsbegriff einen Sinn. Handlung heißt etwas, das auf Natur einwirkt und in der materiellen Welt einen Abdruck hinterlässt. 

Schlägt jemand einen Baum um oder pflanzt ihn, pflügt er das Feld um, verkauft er am Markt sein Gemüse, schmiedet er ein Hufeisen und passte es dem Pferd an, ohrfeigt er den Koch, erobert ein Reich, stiehlt ein Huhn…  das sind Handlungen.

Auch wenn jemand beschimpft, ignoriert oder anlächelt wird, ist das eine Handlung. Nicht auf Grund der sozialen oder psychischen Wirkung, sondern weil der Schreiende laut wird, weil der Lächelnde sein Gesicht verzieht, weil sich der Ignorante abwendet.

Ein Bildhauer, ein Schauspieler, ein Zeichner, ein Maler kann diesen  Vorgang der Handlung als Gestik abbilden.  

Der ebenso kommunikative Charakter dieser Vorgänge kann nicht geleugnet werden, aber das wesentlich Charakteristische der Handlungen ist sein Bezug zur materiellen Welt, zur Natur, in der er seine Spuren hinterlässt. 

Nur durch den Bezug zur materiellen Welt, zur Natur wird dieses Tun kommunikativ – Handlungen können nur als plastisch materieller Abdruck kodifiziert und gelesen werden (siehe die Entwicklung der Schrift usw.). 

Systemtheoretisch gesprochen, kommuniziere ich in sozialen Handlungen auch mit der Natur ( mit der Biosphäre insgesamt, nicht nur mit der des Menschen…) als Adresse.

Betrachten wir 

– die elektrische Energie, die heute durch elektronisch vermittelte Kommuniktion aufgewandt wird, 

– die ( menschlichen ) Aufmerksamkeits-Kapazitäten, die durch digitale Kommunikation gebunden werden und 

– den Verbrauch, der für Geräte der Kommunikation aufzuwenden ist, steigt der Energie- und Ressourcen-Verbrauch gigantisch. 

All die Energien, Ressourcen, Aufmerksamkeiten die wir durch Kommunikation konsumieren, sind weit größer als die, die wir für die Herstellung von Nahrungsmitteln aufwenden. 

„Gundfana des Westens – Dschingis Khans Flagge“ – „Anschwebende plastische Ladung —> vor <— Isolationsgestell“ (1960) und „Fond IV/4“ (1970/71) 

Erst wenn wir den Energieverbrauch, als ein durch Kommunikation bewirktes Handeln ansehen, bekommt dieses Tun jenen Informationswert, um es heute als sinnhaft beschreiben zu können. 

Denn der Sinn ergibt sich nicht durch die Bedeutung der Zeichen, sondern über ihre physische Präsenz.

Der oft gehörte Ausdruck, ohne Kommunikation gäbe es nur ein Rauschen, ist zutreffend, aber angesichts der hier angedeuteten Dimensionen eher verharmlosend.

Alleine der Energieverbrauch durch Kommunikation erlaubt es nicht mehr, Kommunikation handlungsneutral zu betrachten (ein Missverständnis, das aus einer einseitigen Lesart der Systemtheorie erwachsen könnte).

Kommunikation ist dann nicht mehr nur eine Operation, eine mögliche Option unter anderen, sondern Handlung mit realen Wirkungen außerhalb von Kommunikation. 

Auch wenn das nicht jenes Handeln im Sinne Max Webers ist, welches sich ausschließlich auf das Soziale bezieht, sondern ein Handeln, das die Natur und das Soziale gleichermaßen mit einbezieht.

Luhmann hatte für Fälle, bei denen der Systembegriff nicht mehr greift den Begriff der strukturellen Koppelung freigehalten. In sich geschlossene Systeme wirken über strukturelle Koppelung zusammen und Interpenetration ist eine strukturelle Koppelung von Systemen, die sich auf die Autopoiesis der Systeme evolutionär auswirken (10).

Die konstruktivistische Auffassung stimmt noch immer, dass alles was wir über die Natur sagen, diese nichts angeht, da diese ein eigenes unabhängiges System sei und wir nur über ihre Reaktion erfahren, ob unsere Auffassung von Naturgesetzen zutrifft. 

„Nicht, was ich über die Natur sage, beeinflusst diese, sondern wie ich es sage“:

Dieser Satz bekommt in der Klima- und Umweltkrise eine ganz neue, nicht nur rhetorische Bedeutung.

Oder anders gesagt, die Materialität der Zeichen, wie die Lettern im Buchdruck, hat sich heute gigantisch erweitert und ist nicht mehr zu vernachlässigen (11).  

Über den Satz: „Systeme agieren autonom“ lacht die Natur heute – mit deutlichem Echo – schallend.

Und keiner kann sagen, wir könnten dieses Lachen nicht hören!

Wir können ruhig noch Jahrzehnte über die Erderwärmung diskutieren, aber wenn wir dabei nicht mindestens ebenso viel Wärmeenergie – im Sinne von sozialer Wärme ( Beuys)  – gewinnen, die wir im Sprechen der Natur als Energie entziehen, können wir die Diskussionen auch bleiben lassen, da sie mehr schadet als nützt.(12)

Das analoge Denken, wie Beuys es betrieb – und hierin an uraltes Denken der Naturvölker anknüpft – sieht die Natur immer schon als einen autonomen Ko-Operator an, von dem wir lernen können und dessen Mitwirkung wir dringend bedürfen. 

Der Agens dieser Mitwirkung sollte uns nicht nur negativ deutlich werden, indem wir die Grenzen der Natur – die Co2 Werte, die Erderwärmung – überschreiten, sondern in dem wir der Natur als Handelnde kooperativ gegenübertreten, so wie wir das in der Landwirtschaft, im Fischfang, in der Waldbetreuung, in der Kompostierung…… immer schon taten, heute selbstverständlich unter Einbeziehung neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse – die sich und ihre Folgen mitreflektiert – im Sinne von Kooperation.  

Günter Lierschof Nov 21

wer den Text ganz gelesen hat, bekommt von mir ein Baumpflänzchen geschickt, bitte um Ihre Adresse

1) https://youtu.be/7SqXk3lR7pc

und weitere Texte auf WordPress Luhmannsschwarzehefte

(2) Bei Luhmann taucht im Zusammenhang mit Humanismus der Name Humboldt auf, den er exemplarisch für diese Haltung anführt.

(3) Es ist zu unterscheiden zwischen dem, was Beuys sagt, das könnte Steiner ähnlich gesagt haben, und dem, was er als Künstler, als Plastiker machte. Zwischen der Kunst von Beuys und der von Steiner liegen Welten. 

(4) Die Kunstgeschichte hält hier Beispiele bereit, wie Rembrandt, der noch Anfang des 19. Jahrhunderts einer unter vielen holländischen Malern war, erst die Nationalbewegungen machten ihn zu jenem Genie, das er für uns immer noch darstellt.

(5) korrespondieren mit dem Medienwechsel, der im Buchdruck die zeitlich Verzögerung zwischen Schreiben und Lesen ausdifferenziert hat    

(6) Der Begriff „Digital“ könnte in Bezug zur Systemtheorie missverstanden werden. Man möge mir diese Ungenauigkeit verzeihen, aber die Nähe zur Kybernetik ist der Systemtheorie immer noch anzumerken und dafür steht hier der Begriff „Digital“, aber eben in Anführungszeichen.

(7) in „Leben der Systeme“ NL Seite 28 

(8) Kenner der Systemtheorie werden hier aufschreien, hinkt der Vergleich doch sehr, andererseits macht er deutlich, dass subjektlose Theorien, in denen das Subjekt nur eine funktionale Bestimmung hat, nicht neu ist.  

(9) Interessantes Beispiel sind die Hausnamen in Tirol. Da heißt jemand nicht nur „Alfred Mayer“, sondern er wird auch „Schlotterer Alf“ genannt, der Alf vom Schlotterer-Hof.

Der Unterschied, zwischen der Identität einer Person und dem Namen einer Adresse wird uns in den Sozialen Medien täglich vorgeführt. Dort gibt man sich Phantasienamen (Avatare), mittels derer kommuniziert wird.

(10) Soziale Systeme, Suhrkamp Taschenbuch STW 666…..

(11) Das Beispiel des Energieverbrauch von Kryptowährungen hat vor einiger Zeit alle in Erstaunen versetzt. Ich weiß die Zahlen nicht mehr, aber der Energieaufwand zur Bilanzierung von Kryptowährungen ist gigantisch.

(12) Das Verhältnis vom Aufwand der Mittel ist ein Grundaxiom der bildenden Kunst: In der radikalsten Konsequenz verzichtet man auf Kunst.

HAUPTSTADT DER PROVINZ 2.

GELITIN im Landesmuseum Ferdinandeum Innsbruck

Nachdem ich fälschlicher Weise das „Riesenrundgemälde“ von Stefan Marx im obersten Stock des Landesmuseum GELITIN zugeschrieben hatte, könnte ich auch den RLB Kunstpreis für Oliver Laric der Künstlergruppe zurechnen, denn all das scheint auf dasselbe, auf den Ausverkauf von Kultur hinauszulaufen.

Als nächster logische Schritt des Museums könnten Souvenirs angeboten werden, wie den Wackeldackel, Folkloregürtel, Edelweißschmuck, Wandersocken und die Nachgüsse von  Venus und Adonis, wie sie in den Vorgarten prächtig renovierter Villen von Siegfried Genz im Stadtteil Saggen in Innsbruck zu bewundern sind. 

Was sind Oliver Larics Skulpturen anderes, als die zeitgemäß digital designte 3D-Druckversion klassizistischer Großsouvenire, nur der Wackeldackeleffekt fehlt neben den Matt-Glanz-Locheffekten. 

Spott beiseite, 

allein diese Aufmerksamkeit, die Aufregung hinter der Fassade des Museums und seines Trägervereins, sowie die Aussagen unzähliger Kunstinteressierter, die meinten, „so etwas schauen sie sich nicht an“, und die vielen moralischen Entrüstungen, die privat geäußert wurden, machen deutlich, dass Innsbruck „die Hauptstadt der Provinz“, der Inszenierungen von GELITIN dringend bedarf.

Nicht zu vergessen ist, wir haben es bei den Mitgliedern der Gruppe mit Menschen zu tun, die solche „Schweinereien“ nicht machen, weil sie besonderes Vergnügen daran finden –  in den Videos ist dies deutlich zu spüren –  sondern, weil sie wie SchauspielerInnen das auf sich nehmen, da es gefragt ist und sie der Auffassung sind, dass es notwendig sei, diesen Wahnsinn einer uns penetrierenden, alle Werte entwertenden Welt, darzustellen.

Der Künstler, die Künstlerin als Leidende, eine spezielle Fähigkeit katholisch geprägter ÖsterreicherInnen – insofern gehört auch Abramovic zu Österreich – aus der  KünstlerInnen in unserem Heimatland ihre Berechtigung ableiten. 

Gerade GELITIN ist für dies österreichische Variante der Performancekunst ein gutes Beispiel, so zeigt sich auch  ein zentrales Defizite dieser Ausstellung.

Denn Leiden kann und braucht sich nicht begründen und kann als solches – wie der Kreuzestod Christi – nicht ignoriert werden. Es bedarf keiner Begründung, das Leiden begründet sich aus sich selbst, wie uns der Existenzialismus lehrte.

Die moderne und nachmoderne Kunst ist mit Aktionen  angetreten, deren Provokation das Sprechen über Themen anregen sollte, die sonst unter den Teppich gekehrt werden ( zB. Herman Nitsch: „Die Entwicklung der Opferkultur vom Schlachtopfer zum symbolischen Opfer der Katholischen Kirche“).

Wir beobachten in Innsbruck, wie in den Hinterzimmern geraunt, geschimpft, angeklagt und intrigiert wird, öffentlich wagt sich niemand aus der Reserve, man könnte ja als zu moralisch, zu prüde, als unaufgeklärt angesehen werden…..

Und die Mitglieder der Gruppe? Stellen sie sich der Diskussion, haben sie die Diskurs in ihr Konzept eingebaut? ( abgesehen von der Teppichpostkarte für „unter  den Teppich gekehrtes“) 

Seit den 70er Jahren ist der Diskurs integrierter Teil jedes qualifizierten Kunstprojektes. 

Die Schwierigkeit bei dieser Ausstellung ist die öffentliche Verhandlung von Themen (wie Geschichte, Tradition, Glaube, Sexualität…) die extrem tabuisiert sind.  

Haben wir dafür eine Sprache gefunden, mit der wir so agieren können, dass die notwendigen Tabugrenzen im Sprechen eingehalten werden, deren das öffentlichen Gespräch bedarf? Ein Bild, ein Film kann diese Grenzen überschreiten im Sprechen können wir abwägen wo und wie wir diese Grenzen berühren.

Der Sprachlosigkeit des Leidens kommen wir aber schwer aus, dazu bedarf es einer eigenen „Sozialen Kunst“ …… was wir diesbezüglich an Sprache vorfinden, von Freud bis Lacan ist erweiterbar……

vielleicht mit Dichtung, mit Musik?  

GL

GELITIN

für die Hauptstadt der Provinz

von GÜNTER LIERSCHOF

GELITIN, Ausstellung im Landesmuseum Ferdinandeum in Innsbruck, vom 1. Juli bis 26. Oktober 2021 

Nach aufgeregten Aufforderungen, ich solle die Ausstellung der Künstlergruppe GELITIN  besuchen, überwand ich mich schließlich. Meine Aversion war eher eine zeitökonomische Vorsichtsmaßnahme, kenne ich mich doch, denn habe ich etwas gesehen,  will ich auch einen Kommentar abgeben, der nie ohne medialen Rückstoß bleibt und Zeit wie Aufmerksamkeit benötigt.  

Ja, da bastelt, töpfert, sägt, nagelt, pinselt und baut ein unverfroren naiv-modern-optimistischer-Geist, so als wäre die österreichisch gefärbte „Sexuelle Revolution“ in ihrer retardierenden Phase im Anfang hängen geblieben und alles Fetisch geworden. 

Da tanzen trotzige Mädchen durch die Schwarz-Mander-Kirche, angestrengt um Aufmerksamkeit der Erwachsenen buhlend, 

da verschlingen sich nackte Menschenknäuel in musealen Bauernstuben; als wären sie Plastiken

und männliche Wesen lassen sich von eindildigen Tieren penetrieren. 

Die Künstlergruppe will nicht provozieren, sie will spielen, spielen, spielen: 

„Lasst uns spielen, denn die Welt geht eh zugrund“ ist ihr Refrain, „Lasst, uns Werte entwerten, die wertlos sind! “  plärren sie und werkeln tatkräftig manisch um Penise, Vaginas und Formverwandtes, so als ob von dort ein Hoffnungsstrahl kommen könnte, der wieder zu nichts anderem als zu Pisse gerinnt.

Ihre Tatkraft ist bewundernswert, auch wenn deren ausgreifende Formwiederholungen eher an Wucherungen denken lässt, verwandeln sie die Welt in ein Narrenhaus, in der nur der Fetisch zählt.

All das haben wir natürlich auch schon xmal gesehen, war da nicht ein Schweizer Künstler, der mit Klebestreifen, Pappen und Latten die ganze Welt verpappt hatte und Nitsch, Mühl, Tatlin, Schwitters, Wurm …..?

Ihrer gespielten Naivität unterliegt natürlich eine gehöriges Maß an Berechnung, denn all das angestrengte Getue ist Referenz, ist kunstgeschichtliches Zitat, war einmal Original….. 

Eine Freude für jede Kunst- und Kulturgeschichtlerin. Vielleicht ist ja die Selbstspiegelung von KunstakademikerInnen in den Arbeiten der Gruppe dasjenige Element, das GELITIN für Museen und Ausstellungsorte wie für den Besucher so interessant macht?

Wir haben heute ja überall nur Aufgewärmtes, in der Bildenden Kunst wie im Jazz, in der Klassischen Musik wie in der Politik ….…. 

Die Institutionen brauchen ihre Zuträger, damit der Laden weiterläuft: Mit Kunst, die sich als Kunst begründen lässt,  würden die Museen nur alle zwei Jahre eine Ausstellung bestreiten können. Wäre der Maßstab „gute Musik“ und „gutes Theater“, müssten die meisten öffentlich geförderten Kulturinstitute sofort geschlossen werden. 

Scheinbar braucht es 95 mal aufgewärmte Kotze, damit etwas wirklich Interessantes rauskommt…!? 

So müssen sich die Institutionen mit begabten Unterhaltern aushelfen, die so tun, als ob sie Otto Mühl wären, als ob sie die Gugginger seien, als ob sie Hermann Nitsch und wer nicht noch, wären. 

GELITIN kann eben österreichische Kultur für Gebildete und noch zu bildende bühnenreif inszenieren!

Wir Zeitgenossen sind ja medial an die Erregungskultur (Sloterdijk) gewöhnt und gegenüber der Propaganda, die zur Zeit aus allen Empfängern öffentlicher Anstalten hallt, ist GELITIN doch eher eine artig-naive Spielerei. 

Etwas Besseres kommt dieser Hauptstadt der österreichischen Provinz auch nicht zu, befinden wir uns hier medientheoretisch in den Siebzigerjahren, wie der Satz unserer Grande Dame der Kunstkritik: „der Rest liegt im Auge des Betrachters“ deutlich macht.

Eine Kultur mit diesem Reflektionsniveau braucht wohl  etwas wie GELITIN, die mit militantem Optimismus  Happenings abfeiern, obwohl es so etwas gar nicht mehr gibt und immer noch von denen zehren, auf die sie sich beziehen.

Aber Spaß macht’s in dieser Sackgasse zu spielen!

Wie bei Künstlergruppen üblich gibt es auch Brüche, wie die Gestaltung des dritten Stockwerks, die mit wändefüllenden Zeichnungen im Stile des Comics brilliert.  Vom „Vogel der Erkenntnis“, den Vergänglichkeit symbolisierenden Handtuchhalter aus dem Volkskunstmuseum, Zaha Hadid Sprungschanze, den Kühen, Gämsen und dem Kaiser Maximilian, werden alle Klischees, die Tirol zu bieten hat, gekonnt ausgebreitet. 

Dazu ist die Sammlung der Hammerklaviere mit Musikbeispielen ausgestellt. Was wie eine Karambolage wirkt, aus Platzmangel herbeigeführt, könnte gezielte Berechnung sein. 

Unterm Dach angekommen, befällt mich, in Bezug auf diesen Raum der Zweifel, ob die Truppe nur aus Vertretern guter österreichischer Kulturverdauung besteht, zumindest hier oben, muss ihnen ein eigenständiges „Kunstentwurf“ zugeschrieben werden. 

Unten, wo der Fetisch herrscht, beherrscht auch dessen Distanzlosigkeit das Geschehen: Fetische sind nicht darstellbar, denn jede Darstellung gerinnt selbst zum Fetisch …. ein teuflischer Kreislauf, in dem es nur armseliges Eingefangensein oder strikte Ablehnung gibt (Jacques Lacan). 

Die Verdinglichung des Fetisch lässt kein Dazwischen zu! 

GL

Die FETTECKE als SCHAMECKE

Steiner – Beuys – LuhmaNN

Steiner/Luhmann – Reminiszenzen

Jetzt wird’s erst richtig absurd, füge ich zu dem Vergleich Beuys – Luhmann noch Rudolf Steiner hinzu.

Nehmen wir das Klientel von Luhmann, das sich aus liberalen Hintergründen mit Nähe zur Kybernetik speist, eine Generation, die vom PC aufgezogen wurde und sich als aufgeklärt und religionsskeptisch definiert – hat mit esoterischen Figuren wie Steiner und seiner Fähigkeit, Geister zu sehen, wenig am Hut.

Obwohl Mitbegründer der Universität Witten/Herdecke, wie Konrad Schily ( der sich in der FDP engagierte), Anthroposophen waren.

Gerade Witten/Herdecke bildet eine geistige Brücke zwischen Anthroposophie und Systemtheorie. Gegründet aus anthroposophischen Impulsen zeitgleich mit der FIU ( Free International University, Documenta Kassel 1977, von Beuys), lehren dort Personen, die sich an Luhmanns Systemtheorie orientieren.(1)

Beuys/Steiner – Reminiszenzen 

In den Beobachtungen zum 100. Geburtstag von Beuys taucht bei den Verdächtigungen, Beuys sei ein verkappter Nazi, regelmäßig der Name Rudolf Steiners auf. 

Die Nähe von Beuys zu den Ideen von Steiner überträgt die Verdächtigung, Steiner sei ein Rassist und Antisemit (2), auf Beuys. Das Interesse von Beuys an Steiner und die Auseinandersetzung mit dessen Ideen noch zu Zeiten des Nationalsozialismus werden als Beweis angeführt, dass Beuys nie von den Ideen der HJ losgekommen sei und diese sein Werk prägten.

Nur dürfen wir, die Nachgeborenen, nicht meinen, wir hätten erst jetzt solche Zusammenhänge erkannt und diese wären zur Zeit Steiners (3) oder in der Zeit von Beuys (4) unbekannt gewesen und nicht kritisch reflektiert worden. 

Beuys/Steiner – vertiefend

Beuys hatte nie ein Hehl daraus gemacht, dass die Ideen von Steiner auch seine Ideen sind. 

Aber jedem nur einigermaßen Kunstsinnigen müsste klar sein, dass es sich bei Beuys um keinen Epigonen handelt, von denen die anthroposophische Bewegung voll ist. 

Zu ihnen kann Beuys nicht gezählt werden, handelt es sich doch bei seiner Kunst um einen völlig eigenständigen, unvergleichbaren Kunstentwurf! 

Nur ein Blick auf die Arbeiten von Beuys müsste deutlich machen, dass er parallel zu Rudolf Steiner Ideen entwickelte, deren Einsichten sich ergänzen.

Der erweiterte Kunstbegriff

Beuys scheute sich nicht, in die Kunst wieder (5) Ideen aus Philosophie, Wissenschaft und Religion gleichwertig einzubeziehen. Die Ideen dienten nicht, wie bei anderen Künstlern, seine Kunst zu erklären, sondern sie selbst waren Kunst. Es war für ihn notwendig, alle nur möglichen Ideen, die die Welt erklären, gleichwertig neben den formalen Gestaltungsfragen der Kunst auftreten zu lassen.

Naturwissenschaft, Philosophie, Literatur, Wirtschaft, Soziologie, Politik und Kunst bildeten für Beuys eine Einheit, der er in der Kunst ein Forum zu geben suchte. Aber nicht im Sinne der Illustration von Weltinhalten, sondern als Kommunikation von Weltinhalten von und durch Kunst.

Er bezog Steiners Idee ebenso mit ein, wie die des Baron de Montesquieu, 

scheute vor der Disziplin und der Askese eines Ignatius von Loyola nicht zurück,

auch nicht vor dem politischen Charisma eines Nikolaus von der Flühe.

Er bezog die extreme Auffassung des Anacharsis Cloots, der in der Nähe von Kleve hauste, mit ein. 

Er sah die Ideen von Paul Ricoeur als Grundlage seiner Geldtheorie, 

berief sich auf den völlig abgefahrenen Geister- und Engelseher Emanuel von Swedenburg(6).

Die Botschaften des Christentums waren für Beuys ebenso Referenz, wie die Durchsetzungskraft eines Dschingis Khan bzw. eines amerikanischen Mafiabosses, um den Spannungsbogen seiner Bezüge aufzuzeigen.

Wenn Personen wie Hans-Peter Riegel (7) und einige Professoren heute meinen, Beuys hätte in seinem Atelier in Düsseldorf nur die Inhalte eines Rudolf Steiner illustriert, zeigen diese nur ihre Hilflosigkeit der Kunst gegenüber. Ein „Fonds“ von Beuys ist keine Illustration von was auch immer, sondern die Realisation von Ideen, die ebenso Steiner und Goethe beschäftigten.

Trennung von Inhalt und Form aufgehoben

Ab Beuys gilt die bisher bewährte Trennung von Inhalt und Form nicht mehr: Die Zeichnungen auf einer Schultafel, die er im Gespräch anfertigte, sind ebenso Kunst, wie die abgelegte Honigpumpe, die zur Gründung der Free International University in Kassel aufgebaut war und „Honig durch unsere Körper und Köpfe pumpte“.

Was 1977 in Kassel in der FIU gesprochen und diskutiert wurde, gehört ebenso zum Werk, wie die abgelegte Honigpumpe in der Ecke eines Museums. 

Für Kommunikationstheorien haben diese Vorgänge unabsehbare Konsequenzen. 

Lasst uns die Frage stellen, ist Luhmanns Kommunikationstheorie der Fettecke gewachsen?

Honigpumpe am Arbeitsplatz  

Luhmann auf der Documenta 1977 in Kassel – 

eine Episode 

Bazon Brock hatte mich auf den Luhmann/ Habermas Streit angesetzt. Mit dem noch unverdauten Werk im Kopf kam ich im Sommer 1977 in Kassel an und beteiligte mich, Wochenende für Wochenende, an den Diskussionen der FIU ( Free International University).

https://youtu.be/acHt6zxO74Y

Beuys hatte seine Geldtheorie und die Idee der Dreigliederung des sozialen Organismus vorgetragen, es wurden konkrete Fragen diskutiert, z.B. die Antiapartheitsbewegung in Südafrika oder die Rüstungsindustrie Englands. Der Fächer der Fragen war weit gespannt und umfasste fast alle aktuellen politischen Fragen der Zeit. 

Das Theorieangebot und die Sprache, die dort herrschte, war nicht bevormundend, sondern an den Fragen der anwesenden Menschen orientiert und mit dem Angebot verbunden, Gesellschaft begrifflich zu denken, wofür Beuys seine Theorien zur Verfügung stellte. 

Beuys konnte dabei auch stundenlang zuhören und anderen das Wort überlassen. Es gab keine Lösungen, sondern Denkanregungen, die breite Auffächerung gesellschaftlicher Fragen war mehr an Problemstellungen als an Rezepte orientiert.

Ich brachte immer wieder Argumente ein, die durch mein Studium des Luhmann/Habermas-Streits beeinflusst waren. Es schien mir, als würden die dort geäußerten Gedanken  im Widerspruch zu den Ideen von Beuys stehen. 

Beuys in Achberg mit dem Autor im Bild

Ich vertrat die Idee, dass die heutige Gesellschaft hoch komplex und differenziert organisiert sei und dass man deren Wirkzusammenhänge nicht auf ein Prinzip (Geld oder Kapital) reduzieren könne. 

Da ich immer wieder mit der Komplexität der Welt argumentierte, reagierte Joseph Beuys direkt darauf.

Er stimmte mir zu, aber sagte, dass hochkomplexe Systeme oft durch etwas ganz  Einfaches irritiert werden können und in sich zusammenfallen würden. Ein Wort (7) an der richtigen Stelle könne stärker wirken, als noch so komplexe Zusammenhänge. Er sprach auch davon, dass komplexe Systeme anfälliger und instabiler seien, als „das Jaulen eines Kojoten“ (8).

Für Joseph Beuys war damals der „Kapitalbegriff“ jenes Wort, über das die komplexen Fragen unserer Konsumwelt auf den Punkt gebracht werden konnten. 

Kapital ist nicht Geld, Beuys sieht die menschlichen Fähigkeiten als eigentliches Kapital. Sein Credo „Jeder Mensch ein Künstler“ ist der Kapitalbegriff, mit dem Beuys die komplexen Fragen des Wirtschaftslebens auf einen Punkt zu bringen suchte. 

Die Konsequenz daraus war für ihn, dass der Geldkreislauf dem „eigentlichen Kapital“, den Fähigkeiten angeglichen werden müsse.

Steiner/Luhmann – Parallelen  

Im Schnellverfahren könnte die Systemtheorie als die zeitgemäße Weiterentwicklung der Idee der sozialen Dreigliederung angesehen werden. 

Mit der Bezeichnung „Dreigliederung des sozialen Organismus“ stellt Steiner einen Bezug zu Organtheorien her, von denen sich die Theorie der Systeme abzusetzen suchte. 

Organtheorien sind wie Systemtheorien als Denkmodell aus der Biologie entliehen. Mit dem Begriff des Systems wird eine formalisierbare Abstraktionshöhe erlangt, wodurch die Systemtheorie von der Natur weitgehend unabhängig wird.

Die Idee der „Dreigliederung des sozialen Organismus“ bezog sich auf die sich völlig widersprechenden Ideen der Französischen Revolution. Mit „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ verband Rudolf Steiner folgendes:

Luhmann als Nachfahre der Revolution

Freiheit =  Kunst / Bildung / Wissenschaft

Gleichheit = Recht / Staat

Brüderlichkeit = Arbeit / Wirtschaft / Konsum.

Geistesgeschichtlich verbindet sich das „Dreier-Prinzip“ mit anderen Modellen, 

wie mit denen der drei unterschiedlichen Charaktere, die sich in den Figuren des „Philoktet“(9) vereinigen. 

Mit der Trinität, eine Auseinandersetzung, die über Jahrzehnte andauerte und in der es um die Einheit von Gott-Vater, Gott-Sohn und Heiligen-Geist ging, die mit dem Konzil von Nicäa im Jahre 325 n. Chr eine Form bekam.

Diese Dreieinigkeitslehren (10) versuchten nichts anderes. als von monokausalen Denkmodellen abzukommen, um Widersprüchliches vereinigen zu können, die in hierarchischen Modellen nicht überwunden werden konnten. 

Die Trikolore der Franz.ösischen Revolution war der logische Schritt, nachdem die Idee der Gewaltenteilung von Montesquieu innerhalb der Gesellschaft entdeckt worden war. Jedes der drei Elemente steht für sich und trägt zum Erhalt der Einheit der Gemeinschaft bei. 

Freiheit/ Gleichheit/ Brüderlichkeit ( heute Geschwisterlichkeit) konkurrieren untereinander und ergänzen sich über ihren unterschiedlichen Bezug zum Sozialen. 

Die Idee einer sozial differenzierten Gesellschaft von Niklas Luhmann ist – meines Erachtens – die konsequente Überführung des Widerspruchs der Dreiheit in den produktiven Widerspruch einer Vielzahl von Systemen, die sich wechselseitig befördern und beschränken.

Voraussetzung dazu war die Annahme von autonomen Systemen. Eine Dreiheit symbolisiert eine höhere Einheit, die aber, wie in der genialen Trinitätslehre, nicht außerhalb, sondern in jedem einzelnen Glied festzumachen ist. Jedes der drei ist das Höchste! Die Einheit des Widerspruchs wird in jedem der drei Teile gefasst.

So wie die Einheit des Gesamtsystems Gesellschaft auch in jedem seiner Teilsysteme gegeben sein muss, was nichts anderes heißt, als dass jedes System für sich autonom agieren können muss.  

Black Box 

R.Steiner ( Goethe) versus N. Luhmann

R. Steiner sagte immer wieder, er habe die Naturanschauung Goethes weiterentwickelt. Alles, was bei Rudolf Steiner esoterisch klingt, ist bei Goethe Anschauung, Beobachtung, Vergleich und Vorsicht im Umgang mit Benennung und Metaphorik.

Wenn Steiner von Lebensleib spricht, ist das bei Goethe die Entdeckung der „Urpflanze“. Jene Vorstellung, die sich ihm in Sizilien verdichtet hatte und zum Modell der Pflanze geworden war, von der sich alle Pflanzenarten ableiten ließen. Carl von Linné, ganz unabhängig von Goethe, gliederte die Pflanzen an Hand ihrer Blütengestalt in Gattungen wie Rosen-, Hahnenfuß- , Nachtschattengewächse usw.

An Goethe, der die Metamorphose der Blätter bis zur Blüte hin beobachtete, knüpfte R. Steiner an und sah in der Farb- und Formverwandlung des Blattes einen „Impuls“ von außen wirken, der diese Verwandlung zur Blüte hin bewirkt. 

Dieses Andere, dieses von außen Kommende ist der Tierwelt ähnlich, so Steiner, als würde das, was bei den Tieren sich als Begehren äußert, sich innerhalb der Pflanzenwelt in Form, Farbe und Substanzen äußern. Das, was sich in der Tierwelt als Begehren äußert, drückt sich bei den Pflanzen, in der Metamorphose des Blattes, in Farbigkeit und durch chemische Substanzen aus, die sich in Blüte und Frucht bilden. (11) 

Die sinnlichen Eigenschaften, die sich in der Tierwelt bilden, benannte Steiner mit dem Begriff des Astralleibes (12) und behauptete, das Astralische wirke über die Blüte in die Pflanze hinein. 

Beuys interessierte dieser Prozess der Pflanze zur Blüten-, Samen- und Fruchtbildung als einen durch Sonne und Wärme ausgelösten Prozess, der wiederum Wärmespeicher wie Öle und Fette hervorbringt. 

(Abbildung: Joseph Beuys, Bienenkönigin, 1956, Bleistift, Beize auf Schreibpapier, 21 x 29,8 cm, Stiftung Museum Schloss Moyland, Sammlung van der Grinten

Die Bienen spielen stellvertretend für die anderen Insekten, die an der Befruchtung beteiligt sind, für Beuys eine zentrale Rolle. Bienen bildeten Staaten, formen in einem Wärmeprozess ihre Waben, erzeugten die wertvolle Nahrung Honig, das Gelée Royal, tanzen wunderschön und funktionieren vergleichbar einem Staat  (Maurice Maeterlinck).

Der mit den Blüten und der Fruchtbildung verbundene Wärmeprozess bildete für Beuys den beispielgebenden Hintergrund für die Idee der Sozialen Plastik als Wärmeplastik. 

Die Fett- oder Schamecke

Rapsfelde

Die Verwendung von pflanzlichem Fett und die Idee, Fett fein säuberlich und genau bemessen in Ecken zu schmieren, hat in der Metamorphose der Pflanze, die Goethe entdeckte und Steiner medizinisch und pharmazeutisch weiterentwickelt, ihre geistesgeschichtliche Quelle.  

Das in Früchten und Samen sich bildende Fett, verarbeitet zum Industrieprodukt gehärteter Pflanzenfette, ist der Ausgangspunkt aller Aktionen von Beuys. Kriechend transportierte er die unförmige Masse Fett an den Ort, der das westliche Weltbild symbolisiert, nämlich in die Ecke.

In der Ecke verbindet sich die Orthogonalität des rationalen Denkens mit Fett. 

Fadenkreuz und Ecke 

Das Zusammentreffen der Horizontalen mit der Vertikalen war bei „den Alten“ der unheimlichste Ort überhaupt, nur haben wir dieses Wissen optimistisch modern beiseite geschoben.

Bei den Griechen durfte weder die Horizontale, noch die Vertikale gerade sein, sie musste immer eine Krümmung, eine Entasis haben. Der rechte Winkel war „den Alten“ ein Horror, der sich nie so nüchtern und absolut – wie in der Moderne – zeigen durfte. 

Das Aufeinandertreffen der Horizontalen und der Vertikalen

musste immer vermittelt werden, wovon die kunstvollen Ausbildungen der Kapitele  lebhafte Anschauung geben. 

griechische Kapitele

Die nüchterne Kante, die brutale Ecke, der ganze Stolz eines Mondrian und der modernen Architekten, wie Adolf Loos, wurde von Joseph Beuys mit wärmender, mit schützender Materie verhüllt und zugestrichen. 

Jeder, der Tempel oder Kathedralen baute, wußte : 

Gerade und Ecken dürfen auf keinen Fall sein! 

Ob der Architrav des griechischen Tempels, oder der Unterbau, das Stylopat oder Säulen und Wände, sie alle hatten Kurvaturen, die der Entasis, der Spannung dienten, gerade durften sie auf keinen Fall sein (13).

Und wenn es nicht anders ging, mussten die Ecken von einem Akroter, einem Engel oder Drachen behütet werden. 

Die klare Linie, die Kanten, die Ecken, der Stolz unserer Moderne, hat vergessen lassen, welcher Hybris wir uns mit der Anbetung der geraden Linie aussetzen.(14) 

Die Ecke ist das Symbol einer orthogonal geordneten Welt. In ihr sind Immanenz (die Horizontale) und Transzendenz (die Vertikale) mit der dritten Dimension, dem Raum. Neben den zeitlichen Elementen der Horizontalen und der Vertikalen (des Kreuzes) kommt die Dimension des Raumes durch die Ecke dazu (15).

Die Absolutheit der Ecke, kann nur gefährden, das wusste Beuys. 

Historische Differenz  

Einschub

Der Vergleich Steiner/Luhmann muss aus der historischen Differenz verstanden werden, sonst wäre so ein Vergleich völlig absurd.

Haben wir doch u.a. durch das Elekronenmikroskop vertiefte Einsichten in das symbiotische Zusammenspiel der Insekten, der Pilze, Mikroben, Bakterien und Viren mit Pflanzen und Tieren erhalten, wodurch die Grenzen der einen von der anderen Welt schwerer als zu Zeiten Goethes/ Steiners zu setzen sind. Wir müssen uns mit Einsichten in ein Zusammenspiel auseinandersetzen, als definitiv Tier und Pflanze auseinander halten zu können (16).

Aber bleiben wir auf dem Stand von Goethe und Steiner und fragen uns, über welchen Einfluss die Botschaft von dem Tier- auf das Pflanzen-“Reich“ übertragen wurde. So wäre eine mögliche Antwort, es muss eine höhere Einheit, ein Schöpfungsakt oder dergleichen sein, der diesen evolutionären Impuls setzt. 

Rudolf Steiner sah das genau so, was ihn zu der eigenartigen Schlussfolgerung führte, dass die Evolution nicht aufsteigend von den Mineralien über die niederen Organismen zu den höheren Organismen wie Pflanzen, Tieren, Mensch erfolgen konnte, sondern umgekehrt, der Mensch als geistige Einheit zuerst da war und dieser die mineralische Welt, die Biosphäre und die Tiere aus sich hervorbrachte, diese ausschwitzte.

Trotz Märchen brauchbare Ergebnisse

Stellen wir die Evolution nicht wie Steiner auf den Kopf, so können wir in einer Art Gesamtüberschau und im Vergleich Ähnlichkeiten erkennen, für die es nie Botschaften von den Tieren zu den Pflanzen gegeben haben muss. Das Modell System Umwelt und die eigenständige Antwort eines Systems auf Umweltbedingungen erklären die Beobachtungen Goethes und Steiners genauso.

Trotz der esoterischen Wortwahl Steiners, (Astral- und Ätherleib) und seiner märchenhaft anmutenden Weltentstehungstheorie hatten die konkreten Beobachtungen Goethes und Steiners ganz praktische Auswirkungen z.B. in der Pharmazie, Medizin und Landwirtschaft, die aufzeigen, dass zwischen den Bedingungen, aus denen pflanzliche Substanzen entstehen und den Zuständen von Tier und Mensch Korrespondenzen sind.

Die Fettecke ein Vorschlag zur Kommunikation 

Erst wenn der Luhmannsche Kommunikationsbegriff so weit gefasst wird, dass auch eine Fettecke darin Platz findet, kommen wir dem Kern, den Ideen von Maturana/Luhmann näher. 

Beuys hatte Fett und Filz nicht wie die „Art Povera“ nur ästhetisch eingesetzt, als Gegenmaterial zur glatten Oberfläche der Nachkriegszeit. Er erweiterte schon mit der Verwendung dieser Materialien den Kunstbegriff über den in der Modere üblichen Bereich hinaus. 

Die von ihm verwendeten Haare in Form von Filz sind biochemisch gesehen gehärtete Eiweiße, die als Langzeit-Speichergedächtnis tierischer wie menschlicher Körper angesehen werden können und den Fingernägeln, dem Horn und dem Geweih verwandt sind.

Das Haar verweist auf uralte Instinkte und Kräfte männlicher ( Johannes der Täufer und Samson) wie weiblicher Haarträgerinnen (das Haupt der Medusa, die Hl. Magdalena, eine Burka tragende Muslimin). Den Haarträgern wurden besondere Fähigkeiten zugesprochen, wie die Fähigkeit zum Heilen, Unverletzbarkeit, Verführung usw.

Dass Beuys Filz wählte, der metaphorisch immer wieder für Verfilzung in Politik, Institutionen und mafiöse Machtzusammenhängen angewandt wird, ist nicht von ungefähr. Werden Haare doch immer auch mit Macht, wie die Mähne des staatstragenden Löwen zeigt, verbunden. 

manipulierte Macht, Zeichnung der Autor

Kunstimmanent gibt es keinen Hinweis dafür, wieso in der Kunst der Moderne Haare und Fett in der Art wie Beuys es tat verwendet werden sollten. Es gibt keine Hinweise, dass aus der vorhergehenden Entwicklung so etwas wie ein „Fonds“ logisch hätte abgeleitet werden können, was bei den meisten Kunstinnovationen, die weitgehend kunstimmanent berechenbar sind, sehr wohl der Fall ist. 

Haare und Fett wurden auch von anderen Künstlern verwendet, aber als Gestaltungselement und nicht in dieser stofflichen Präsenz, wie bei Beuys.

Die oben angebotenen kulturgeschichtlichen Bezüge ergeben sich erst durch die Setzung von Beuys rückbezüglich.

„Ich denke sowieso mit dem Knie“

Es gibt keinen anderen Grund, wieso diese Materialien in dieser Form in der Kunst vorkommen, als durch die Vorstellungen, die Beuys mit diesen Materialien verbindet und die Goethe und Steiner zumindest in Bezug auf das Fett auch so sahen. (17) 

Beuys vertraute auf „Ur-Instinkte“ und war sich sicher, dass diese vorzivilisatorischen Zeichen von den Menschen heute noch gelesen werden können, zumindest, dass die Materialien in den Anordnungen eine Faszination ausüben, die so lange andauert, bis die Zeichen verstanden werden.(18) 

Er vertraute auf eine Grundsensibilität der Menschen trotz unserer Zivilisation und einer Kommunikation, die weitgehend damit beschäftigt ist, vom Wesentlichen abzulenken.

Er vertraute darauf, dass sich eine Fettecke oder ein mit Kupferplatten belegter Filzstapel, ein sogenannter Fonds, selbst erklärt. Weil diese sich aus unserer Existenz heraus erklären, unsere körperlichen Bedingtheiten transzendieren diese.

Die Sprache der Körper 

ist uns vertrauter als alle Theorie, Erzähl- und Sprechweisen über Welt, von denen es natürlich auch jene gibt, die genau davon erzählen.

Wie „kommunizierende Gefäße“, die die Form gebogener Glasrohre brauchen, das Wasser und dessen spezifisches Gewicht, bezogen auf die Erdanziehung, 

so bedarf die Kommunikation über Objekte von Beuys existenzieller Körpererfahrungen und einer sinnlichen Sensibilität, die längst verloren schienen. 

Der Denkansatz von Luhmann drängt solche Erfahrungen theoretisch in den persönlich „subjektiven“ Erfahrungsbereich von Individuen ab, was nicht der Fall ist, da es sich hierbei scheinbar um ein kollektives Wissen handelt, das über eine spezielle Kunsterfahrung hinausgeht.

Zu anderen älteren Erzählungen, die oben erwähnt wurden und die Ähnliches berichten, gibt es zur Fettecke keine direkten Anschlussmöglichkeiten. 

Nur die Ahnung körperlich existenzieller Erfahrungen wie Hunger, Kälte, Wärme, Liebe verschaffen uns den Zugang zu den Objekten von Beuys.

Die Fettecke steht im Schutzraum Kunst erst einmal ganz fremd da, nur das Sprechen kann sie lebendig werden lassen, aber ohne Erfahrungsbezug zu Fett und zu Ecken – um in dem Beispiel zu bleiben – bleibt alles nur Geschwätz und wird von vorne beginnen müssen.…

„Kommunikation muss anscheinend in der Körper- und Geschichtserfahrung vergessen werden, damit diese kommunikativ wieder auftauchen kann“ –

— Oder anders gesagt, die Einsicht in die Nichtkommunizierbarkeit von existenziellen  Erfahrungen, da kollektiv gegenwärtig, machen diese Erfahrungen erst sichtbar.

Kommunikation besteht nicht nur darin, uns zu verständigen, sondern wir müssen uns über die Welt verständigen, sonst verständigt diese sich über uns hinweg! 

Die Black Box ist vielleicht ein frommer Glaube für Menschen ohne Lyrik?

Modefoto

GL

(1)Dirk Baecker, Heiko Kleve, Fritz B. Simon fallen mir auf die Schnelle ein.

(2) Es gibt in den von Steiner nicht überprüften Nachschriften seiner Vorträge, eindeutig rassistische Äußerungen und auch Äußerungen über das Judentum, die antisemitisch gelesen werden können. 

(3) Es gab zu Lebzeiten von Steiner, im besonderen bei der Theosophischen Bewegung eine Nähe zu Nationalsozialisten, u.a. ein Grund, wieso Steiner sich von der Bewegung Blavatskys getrennt hatte. Im besonderen die SA von Himmler zog Esoteriker wie und Anhänger sozialistisch/kommunistischen Bewegungen an. Steiner ist 1925 gestorben und hatte sich von den Nationalsozialisten ( Parteigründung 1920) ausdrücklich distanziert.

(4) Karl Fastabend, Beuys Sekretär im Büro fr Direkte Demokratie, der in den Siebzigerjahren einige Texte für Beuys formulierte, war ein ehemaliger SA-Mann.

Im Umkreis von Adenauer bis Kreisky und in allen Bereichen der Gesellschaft waren unzählige ehemalige Nazis tätig. Nach Aussage von Marcel Reich-Ranicki war zu seiner Zeit die gesamte Spiegelredaktion von ehemaligen SS Leuten durchsetzt.

Fastabend war im Büro für „Direkte Demokratie“ keine dominant bestimmende Figur. Beuys bezog unzählige Personen mit ein, die über ein Spezialwissen verfügten, auch wenn er mit deren Auffassung nicht übereinstimmte. 

Wilfried Heidt und Wilhelm Schmundt vom Achberger Institut für Sozialforschung, die die Dreigliederung von Steiner vertraten gab Beuys ein Sprachrohr bei seinen Veranstaltungen.

(5) Bis zur Moderne und bis zur Abstrakten Kunst war es üblich, sich in der Kunst auf Weltinhalte aus Religion, Politik, Gesellschaft zu beziehen. In der Moderne hat die Selbstgenügsamkeit und ein Verständnis von Autonomie dazu geführt, dass alles Inhaltliche als illustrativ abgetan wurde. 

(6) In einem Spiegel-Interview bezeichnete Beuys Nikolaus von der Flühe und Emanuel von Swedenborg als die Leitfiguren seines Wirkens.

(7) Hans-Peter Riegel, sogenannter Beuysbiograph, der bemüht ist, Beuys eine Nähe zum Nationalsozialismus nachzuweisen.

(8) Nicht wie Luhmann, der in dem „Video aus dem Krähwinkel“ äußert, ein aus dem System entfleuchter Satz taumelt verwirrt durch die Welt und zeigt gesellschaftliche Wirkung. Für Beuys ist so ein Wort oder Satz eine demokratische Essenz, die von den Menschen als hilfreich – wenn auch nur temporär – erkannt wird.

(8) Dass hier Erinnerung und Dichtung durcheinander gehen ist klar, sind doch inzwischen mehr als 40 Jahre vergangen. In der Zwischenzeit fand der 11. September statt, der ein Negativbeispiel dafür wurde, wie einfach Komplexität gewalttätig reduziert werden kann.

Ein Geschehen „auf den Begriff zu bringen“, ist, ohne gewalttätig sein zu müssen, die positive Seite der Vereinfachung.

In diesen Zusammenhang passt auch eine Äußerung von Beuys, die in etwa so lautete: „Letztlich ist mir ein Fachidiot lieber, als ein Universaltrottel“, das heißt, Beuys traute einem ausdifferenzierten Fachwissen letztlich mehr als einer generalisierten Philosophie.

(9) https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/jahrhundert-das-individuum-entdeckt-wurde-17275558.html?

(10) diese sind von der asiatische Ying Yang Lehre zu unterscheiden, bei der das duale Prinzip vorherrscht und das dritte Prinzip, das Qi ausgleichend wirkt, das das Maß und die Rhythmik der Gegensätze bezeichnet 

(11) Alkaloide, Fette, Öle Duftstoffe usw.

(12) mit so einer Bezeichnung kann er heute nur in die Esoterik-Ecke abgeschoben werden.

(13) am Königsplatz in München zu beobachten. Die Steifheit der klassizistischen Bauwerke rührt daher, dass ihnen die Entasis fehlen.

(14) Hundertwasser hat sein Leben dieser Thematik gewidmet.

(15) Für Luhmann stellt Transzendenz und Immanenz den Code der Religion dar. Beuys würde dazu sagen: Da fehlt etwas, das Fett!

(16)Dass Einsichten aus der Biologie, von Uexküll bis Maturana, auch über Luhmann Eingang in die Soziologie fanden, gehört hierher. Im besonderen, dass Humberto R. Maturana, der vor wenigen Tagen gestorben ist, überhaupt nicht damit einverstanden war, dass Luhmann das Modell, das für die Biologie und die Frage des Lebens brauchbar erschien, auf die Soziologie übertragen hatte. Und ich gehe davon aus, dass diese Ablehnung nicht dem Narzissmus geschuldet ist, sondern auf der Einsicht beruht, dass ein Modell, das in der Biologie aus Einsichten in die  Evolution gewonnen wurde, sich nicht identisch auf soziale Systeme übertragen lässt.

(17) Beuys bezeichnete sich selbst als reinen Materialisten. 

(18) Er äußerte sich des öfteren, dass, sobald seine Objekte verstanden seien, diese wieder entsorgt werden könnten.