Ökologische Kommunikation: aussichtslos!?
„Münchhausen im Sumpf“ (1)

Günter Lierschof
Die Wärme umgibt mich, lässt mich schwitzen, das Hemd klebt an meiner Haut. Die Schuhsohlen sind so dünn, dass ich jeden Stein, jede Wurzel und die weiche Grasnarbe spüre. Es beginnt zu regnen, brauche ich einen Hut, einen Schirm, einen Unterstand? Die Nachbarn waren wieder einmal sehr laut gestern nachts. Auf der Nordkette über Innsbruck liegt noch Schnee, während wir hier unten in Hemdsärmeln herumlaufen. Ukrainerinnen werden am Arbeitsmarkt in Österreich schneller vermittelt, berichten die Nachrichten….. Irgendwo im Osten gibt es einen Krieg, der uns sehr nahe ist, und wieder hat man in China eine neue Virusvariante entdeckt, die uns gefährlich werden könnte….
So viele reale wie mögliche Welten gibt es,
die uns umgeben und die unser Ich (2) zu einem einheitlichen Lebensgefühl zu einen sucht.
In der funktional differenzierten modernen Welt scheint es unmöglich, eine Einheit der Umwelten der sozialen Systeme herzustellen, da es dort nur unterschiedlich gefärbte Umwelten gibt. Jedes System versteht sich als Teil eines Ganzen, den es nur selbst einschätzen kann und von dem es weiß, dass es vom Ganzen abhängig ist, es aber die wechselseitige Abhängigkeit nie ganz einschätzen und überblicken wird.
Der sozial differenzierten Welt fehlt das verbindliche ICH, das in der Moderne weder durch ein großes Kollektiv noch gegenwärtig durch eine uns gegenüberstehende gefährdete Natur (Gaia) ersetzt werden kann.
Da es im Sozialen eine äußere Instanz wie das ICH nicht gibt, entstehen in der Moderne unzählige Paradoxa, das heißt Unterscheidungen, in denen das zu Unterscheidende im Unterschiedenen enthalten ist. (3)
Um diese Absurditäten nicht zeigen zu müssen, werden diese Paradoxa verschleiert, invisibilisiert wie Luhmann das nennt.
Ersetzt werden wollte dieses fehlende Ganze immer wieder. Zur Zeit ist die Ökologie eine der großen Hoffnungsträger, dass wir „in einer heilen Natur auch wieder unser Heil“ finden werden. Wir sehen an der Wortwahl, in welche Nähe die Ökologiebewegung unweigerlich gerät. (4)
Wenn wir sehen, wie die Gaia aus den Fugen gerät und wir unbedingt meinen handeln zu müssen, so kommen Strategien, Techniken und Programme aus dem Untergrund an die Oberfläche, die immer schon eingesetzt wurden, wenn eine Ganzheit erzwungen werden sollte z.B. die Ganzheit des Volkskörpers, des Sozialismus oder des Verlorenen Gottes ( Nietzsche)
- Luhmann in „ Ökologie der Gesellschaft“ S. 104 Kap. „Wissenschaft“
- Das ICH selbst ist schon, sobald es auf mich angewandt wird, eine paradoxe Konstruktion, da das zu Unterscheidende im Unterschiedenen schon vorkommt, d.h., im „Mich“ macht sich das „Ich“ unsichtbar .
- Dadaismus und Fluxus wussten um diese Absurditäten und führten sie einer Welt vor, die in ihrer Selbstzufriedenheit geradezu erstickte.
- Das Wort „ökologischer Faschismus“ ist nicht nur eine Reminiszenz, mit dem ein Randphänomen der Ökologiebewegung bezeichnet wird, sondern fasst den Kern der Problematik der Ökologiebewegung ins Auge. Herbert Gruhl ( Mitbegründer der Grünen) „Der Planet wird geplündert“ 1975 behandelt Themen wie Überbevölkerung, Völkerwanderung durch Umweltschäden, in der Folge Überfremdung usw.
Ökologische Krise
Angesichts der ökologischen Krise verwandelt sich die optimistisch utopische Sichtweise der Systemtheorie, die eine unsichtbare Hand annimmt, um die Kommunikation der Systeme untereinander zu regeln, in einen dystopischen Bremsklotz. Der Widerstand zeigt auf, wo die Schwierigkeiten liegen, die zu überwinden wären, sollten die Systeme anderen, nämlich ökologischen Wertvorstellungen folgen, und nicht nur den binären Codes der einzelnen Systeme, die jeweils eigene Werte anvisieren: Wahrheit, Zahlbarkeit, Recht ..und das noch mit dem jeweiligen Gegenteil bepackt?
Die binären Codes und die durch diese in den Systemen auftretenden Antinomien und Paradoxien sowie deren Verschleierungen, Invisibilisierungen erzeugen all jene Fallen, in die man tappen muss, wenn Umweltfragen wie die Knappheit der Ressourcen, die Erderwärmung, der Co2 Anstieg, das Artensterben usw. kommuniziert werden wollen.
Oder anders ausgedrückt: die Freiheiten, die die ausdifferenziert funktionale Welt trägt, wehrt sich mit Händen und Füssen gegen jene höhere Einheit, die uns als funktionierende Natur vorgeführt wird, die von unserer modernen Zivilisation zerstört worden sei.
Von einer Natur, von der keiner weiß, wie sie wirklich funktioniert?
Von der wir aber jetzt – faktenbelegt – wissen, dass sie aus den Fugen geraten ist?
Die Freiheit wehrt sich gegen die Freiheit, die ihr genommen werden soll, die nur erhalten werden kann, wenn sie beschränkt wird.
All das klingt paradox und ist es auch, doch es beschreibt die Situation, wie sie ist!
Die „Kommunikation au trottoir“
oder von Luhmann etwas abwertend Alltagskommunikation genannt, kann aus seiner Sicht zur Lösung wenig beitragen.
Er traut der Sprache außerhalb sozialer Systeme wenig zu, wenn nicht nichts,
obwohl seine Theorie gerade auf Fähigkeiten dieser Alltags-Sprache aufbaut, z.B. auf die der Ja/Nein-Möglichkeit, die aus der Alltagssprache stammt.
Eine wenig beachtete (5), systemtheoretisch aber schlüssige Alternative, die direkte Demokratie und deren Möglichkeiten werde ich unten konkret beleuchten.
In der modernen, funktional differenzierten Gesellschaft werden mehrere Umwelten erzeugt, die jeweils verschiedene Bilder ihrer Umwelt zeichnen.
Die Systeme stimmen sich aufeinander ab, binden sich „symbiotisch“, soweit dies für das jeweilige System notwendig und möglich ist. Unstimmigkeiten zwischen sich und seiner Umwelt(en) erfährt ein System nur durch eine Art Rauschen, das Luhmann, um die Irritation durch die Natur speziell zu kennzeichnen, Resonanz ( die nicht Räsonanz werden sollte) nennt.
Luhmann führt vor, welche Schwierigkeiten einer Ökologie in den Systemen Recht, Wirtschaft, Politik, Bildung, Wissenschaft im Wege stehen, indem er aufzeigt, wie Resonanz in diesen entsteht und wie diese auf diese Resonanz reagieren können.
Zusammenfassend sieht die Bilanz katastrophal aus: Es gibt mehr Widerstände, mehr Taubheit, mehr Gefährdung in den Systemen als er Positives berichten könnte.(5)
Wenn z.B. Wirtschaft, Recht und Politik zusammenwirken und Umwelt-Normen entwickeln, oder bestimmte favorisierte Energieformen finanziell fördern, beschränken sie eher die Möglichkeiten von Wirtschaft und Recht. Sogar das Gegenteil des gewünschten ökologischen Effektes könnte eintreffen, so Luhmann.
Was Luhmann da 1984 beschrieben hat, kann in der Gegenwart nur bestätigen werden.
Wir erleben heute einen ( durch Pandemie, Kriegen und Energiekrise hervorgerufenen ) Staatsdirigismus, der absehbar wirtschaftliche und ökologische Negativfolgen, (ob bei Windmühlenparks, Batterieautos, Solarweiden, fracking gas, Wärmepumpen, grüner Atomkraft usw.) zeigen wird..
Die Kacke ist so richtig am Dampfen, wenn ökologischen Kommunikation auf das differenziert funktionale System trifft.
(5) Krass gesprochen: Die Kommunikation ist, um zu funktionieren, so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich um das, wofür sie da ist – die Welt zu erfassen und zu gestalten – wenig kümmern kann.
Direkte Demokratie
Strategie und Expertise der Alltagssprache
Eine von Luhmann und der Systemtheorie in der Folge wenig beachtete und unterschätzte Möglichkeit zur Weiterentwicklung der modernen ausdifferenzierten Welt, bietet die direkte Demokratie, der Joseph Beuys eine bedeutende Zukunft zuschrieb.
Systemtheoretisch ist die Direkte Demokratie eine sich neuen kommunikativen Möglichkeiten öffnendes Programm des politischen Systems, das Macht / Nicht-Macht verteilt.
Innerhalb der Politik schränkt sie die Kompetenz indirekter Demokratie ein bzw. ergänzt deren Aufgabe, Gesetze zu erlassen.
Was gerade bei ökologischen Fragestellungen, wo die Realisierung der Gesetze das Leben der Menschen beschränken kann, von großem Vorteil ist: Da ein Großteil der Bevölkerung – es kommt auf die Wahlbeteiligung an – hinter den Gesetzen steht, was für die Durchsetzung an Ökologie orientierter Gesetze von nicht zu unterschätzendem Vorteil sein kann.
Verfahren als Programm
Eine ausgereifte Form der Direkten Demokratie, wie sie beispielhaft in der Schweiz praktiziert wird, erfordert ein zeitlich längerfristig strukturiertes Verfahren zur Meinungsbildungen, eine finanziell gleichwertige Verteilung der Mittel auf beide Wahlmöglichkeiten und eine klare Ausformulierung der zur Diskussion stehenden Frage, die eine eindeutige Ja- oder Nein- Beantwortung möglich machen soll.
Auch das direkte demokratische Verfahren braucht Experten, die beide Antwortseiten bedienen, die gefordert sind, hochkomplexe Zusammenhänge auf eine Ja/ Nein Frage alltagssprachlich zu reduzieren.
Beobachtet man im Vergleich zu direkt-demokratischen Verfahren, parlamentarische Wahlen in vergleichbaren Zeiträumen in Deutschland oder in Österreich, so fällt auf:
Bei der medialen Aufbereitung der Themen wurden bereits im Vorfeld brisante Themen ausgeschieden, z. B. die Bedrohung für die Realwirtschaft, die vom Finanzkapitalmarkt ausging und in Fachkreisen ausführlich diskutiert wurde.
Diese für Politik entscheidende Frage kam in den Parlamentswahlen nicht vor.
Wenn die Invisibilisierung( Luhmann) der Paradoxien so weit geht, dass in Kenntnis dieses Phänomens bedeutende Fragestellungen aus der Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, ist die Grenze zwischen nötiger Invisibilisierung und bevormundender Verschleierung überschritten. Für die Bürger werden unüberwindliche Schwellen eingebaut, um Problemlagen überhaupt in Erfahrung zu bringen.
Parteien – im Zusammenspiel mit den Medien – wissen immer schon, was dem Bürger zuzutrauen und was ihm nicht zuzutrauen ist. Wie sollen da komplizierteste Fragen – wie die der Ökologie – jemals angegangen werden können?
Ein Ergebnis fehlender direkt demokratischer Verfahren ist das Abspalten kritischer Bevölkerungsteile in Alternativmedien, in Verschwörungstheorien.
Weiters, die Überlastung zentraler und hierarchischer Strukturen der Politik, die zu einem Feuerwerk teils sinnloser, kurzfristig gedachter Lösungen, wie Batterieautos, Windräder, Wärmepumpen, Solarfeldern und kaltem Duschen führen.
